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"Russland ist ein wichtiger strategischer Partner"

6. Oktober 2005

EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner hat am 4. Oktober in London an dem EU-Russland-Gipfel teilgenommen. Im Interview für DW-RADIO/Russisch bewertet sie die Ergebnisse des Treffens und das Verhältnis zu Moskau.

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Benita Ferrero-WaldnerBild: EU

DW-RADIO/Russisch: Was sind Ihre Eindrücke vom Gipfel?

Benita Ferrero-Waldner: Es war insgesamt ein guter Gipfel, der in einer guten Atmosphäre sehr offen über die verschiedensten Fragen diskutieren konnte. Es ist ein Gipfel gewesen, wo wir begonnen haben, das umzusetzen, was wir beim letzten EU-Russland-Gipfel besprochen hatten, vor allem die vier ‚Räume’, und hier vor allem einen ‚Raum’, der vor allem die Bürger interessieren wird. Da geht es um Erleichterung der Visa und gegenüber auf der anderen Seite um Rückübernahme-Abkommen, die Russland verpflichten, illegal eingewanderte Menschen oder solche, die zu lange bei uns bleiben - über ihren normalen Aufenthalt hinaus, wieder zurück zu übernehmen. Und das halte ich für sehr wichtig. Aber auch andere wichtige Fragen, wie zum Beispiel Energie, die Energiesicherheit, aber auch die Frage, wie geht es weiter nach dem Kyoto-Protokoll, was machen wir nach 2012?

Frage: Das sind also Themen, die angesprochen wurden. Welche Beschlüsse wurden denn gefasst?

Gerade hinsichtlich der Frage der Visa-Erleichterung, kann ich sagen, ist ein ganz wichtiger Beschluss gefasst worden, und zwar dass diese Visa-Erleichterung jetzt schon stattfindet. Das heißt, es können die Europäer und die Russen jetzt Visa billiger erhalten, und zwar ist das eine Reduzierung von früher 300 Euro auf nunmehr 35 Euro, das wird jeder in seinem Geldsäckel spüren. Zweitens wird die Visa-Frage auch leichter werden, wenn man zum Beispiel dann nach Russland reist. Die Anmeldeprozeduren werden in Zukunft hier wesentlich weniger kompliziert sein. Es wird sicher auch leichter sein, für Geschäftleute, für Studenten, für Journalisten Mehrfach-Visa zu erhalten, damit sie ihre häufige Reisetätigkeit einfacher durchführen können. Der letzte Punkt ist auch wichtig, vor allem wichtig für beide Seiten, damit wir besser und schneller verhandeln können. Diplomaten haben in Zukunft die Möglichkeit, frei einzureisen - also ohne Visa.

Sie sagten auch, dass es während des Gipfels ein offener Meinungsaustausch stattgefunden hätte. Aus dem "Diplomatischen" übersetzt könnte es das auch heißen, dass es auch "Streitfragen" gab. Eine dieser Fragen sind traditionell die Menschenrechte in Russland. Wurde dieses Thema in London angesprochen?

Es waren keine Streitfragen, sondern es sind Fragen, wo wir manchmal unterschiedlicher Ansicht sind, aber selbstverständlich werden die Fragen Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie immer wieder angesprochen. Das war im Zusammenhang mit Tschetschenien, aber auch generell, und wir haben ja in diesen vier ‚Räumen’ einen Menschenrechtsdialog. Es hat bereits der zweite Menschenrechtsdialog stattgefunden. Dort werden eben die Punkte offen diskutiert, die wir als richtig anzusprechen ansehen. Das wurde heute natürlich klar wiederholt. Diese Dinge sind immer wieder auf dem Tisch. Aber ich glaube, wir müssen diese Beziehung in einen strategischen Kontext stellen, denn Russland ist ein wichtiger strategischer Partner, mit dem wir gemeinsam Interessen teilen, aber in manchen Fällen auch unterschiedliche Auffassungen haben. Wir müssen offen über diese Fragen diskutieren können, und das können wir.

Das Interview führte Andreas Brenner
DW-RADIO/Russisch, 4.10.2005, Fokus Ost-Südost