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"Russland kann mit der EU und China nicht konkurrieren"

20. August 2009

Wie sehen die Zukunft des Staatenbundes und die Rolle Russlands im postsowjetischen Raum aus? Darüber sprach die Deutsche Welle mit Hans-Hennig Schröder von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik.

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Hans-Henning Schröder

Deutsche Welle: Herr Schröder, Georgien hat offiziell die GUS verlassen. Was bedeutet das für die Gemeinschaft?

Hans-Henning Schröder: Im Grunde hat das keine sehr große Bedeutung, da die GUS eigentlich als eine Art Auflösungs-Gemeinschaft für die Sowjetunion fungiert. Sie hat zunehmend an politischer Bedeutung verloren. Georgien hat schon seit Jahren nicht mehr mitgemacht. Von daher hat es de facto eine geringe Bedeutung.

Welche Zukunft sehen Sie für die GUS? Wird sie sich allmählich auflösen oder kann daraus doch noch eine Art verkleinerte Ost-EU entstehen?

Nein. Russland versucht natürlich, zumindest Teile der postsowjetischen Staaten zu einer Allianz oder zu einem Wirtschaftsbund zu vereinigen. Dazu hat es eine ganze Reihe von regionalen Organisationen geschaffen - die Euroasiatische Wirtschaftsgemeinschaft oder die Organisation für kollektive Sicherheit. Aber sie alle decken sich nicht mehr mit der GUS. In vielen Fällen ist die Ukraine nicht mehr oder nur teilweise Mitglied; Belarus ist zwar dabei, verweigert aber die Mitgliedschaft. Eigentlich funktioniert keine dieser Organisationen richtig. Russische Politik zielt darauf, die eigene sogenannte Interessensphäre, also den postsowjetischen Raum außer den baltischen Staaten, als Wirtschafts- und Militärblock zu organisieren. Doch dazu ist die Masse der Staaten offensichtlich nicht bereit. Georgien meldet sich endgültig ab. Die Ukraine verhält sich zögernd, aber es ist ziemlich klar, dass sie sich nicht in eine russische Politik der Interessensphären einbinden lassen wird.

Könnte Russland mit seinem Wirtschaftspotential in 20 bis 30 Jahren ein so starker Magnet werden, dass sich die heutigen GUS-Staaten zu Russland hinwenden?

Dazu müsste Russland tatsächlich ein Wirtschaftspotential entwickeln. Bisher besteht Russlands Wirtschaft weitgehend aus dem Export von Rohstoffen, Rohmaterialien und Energie. Modernisierung, moderne Technologie, verarbeitende Industrie - all das müsste Russland erst erreichen. Bisher sieht es da nicht besonders gut aus. Es ist sozusagen nicht attraktiv. Die Situation ist, dass zumindest die westlichen Staaten der GUS – Belarus, Ukraine, Moldau – durchaus die Option EU vor Augen haben. Das ist eine ständige Konkurrenz zu Russland. Die zentralasiatischen Staaten richten natürlich den Blick auf China. In dieser Situation befindet sich Russland in einer Art Integrations-Konkurrenz. Die Frage ist, wohin wenden sich diese Staaten? Die zentralasiatischen wohl nach China, die westlichen GUS-Staaten nach Europa. Sowohl China als auch Europa sind wirtschaftlich erfolgreicher als Russland.

Ist Ihre Prognose also, dass Russland allein bleibt?

Russland ist zumindest nicht so attraktiv, dass es mit China oder der EU konkurrieren könnte. Die Frage für Russland ist, mit wem geht es zusammen? Wenn es darauf besteht, als eine selbständige Macht im postsowjetischen Raum zu agieren, bleibt es allein.

Autor: Nikita Jolkver
Redaktion: Markian Ostaptschuk