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Russland: Kräfteverteilungen vor den Wahlen

2. August 2007

Russland blickt gespannt auf die kommenden Wahlen zum Parlament und Präsidenten. Während viele noch immer auf eine dritte Amtszeit Putins spekulieren, ist ein gemeinsamer Kandidat der Opposition nicht in Sicht.

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Bild: picture-alliance / dpa/dpaweb

Im Herbst dieses Jahres wollen die Vertreter der russischen Opposition einen gemeinsamen Kandidaten für die Präsidentenwahl 2008 nominieren. Konkrete Schritte in diese Richtung hat die Koalition Anderes Russland mit Gari Kasparow an der Spitze nun unternommen. Ende Juli veröffentlichte sie eine Liste mit den Namen von acht Politikern, die gegen einen Schützling des Kremls antreten könnten. Zu den potentiellen Kandidaten gehören die bekannten Kreml-Gegner Grigorij Jawlinskij, Gennadij Sjuganow und Michail Kasjanow, die Oppositionellen Sergej Guljajew, Wladimir Ryschkow sowie Wladimir Bukowskij, aber auch Viktor Geraschtschenko und Oleg Schenin.

Schon einen Tag nach der Veröffentlichung der Liste erklärten Experten, dies sei ein weiterer Beweis dafür, dass die Oppositionskräfte unfähig seien, gemeinsam zu handeln. Zudem seien gewisse Politiker nicht in der Lage, ihre persönlichen Ambitionen zurückzustellen. Befremden ruft auch die Tatsache hervor, dass auf der Liste der potentiellen gemeinsamen Kandidaten die Namen von Gari Kasparow und Eduard Limonow fehlen. Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass sie ihren Wunsch noch anmelden werden, an den Wahlen teilzunehmen.

Längst bekannte Ambitionen

Die Präsidentschafts-Ambitionen des Vorsitzenden der Kommunistischen Partei, Gennadij Sjuganow, und die des Führers der Partei "Jabloko", Grigorij Jawlinskij, sind seit langem bekannt: die beiden Politiker unterlagen bereits zwei Mal - 1996 und 2000 – im Kampf um das Präsidentenamt. Trotzdem erklärten beide, erneut kandidieren zu wollen. Nach Ansicht vieler Experten haben sie bei den Wahlen gute Chancen, vor allem Sjuganow, da die anderen Oppositionskandidaten weniger bekannt sind.

Was Michail Kasjanow betrifft, so hatte der ehemalige Premier schon im Frühjahr 2005, ein Jahr nach seiner Entlassung, erklärt, kandidieren zu wollen. Nach dem Streit mit dem Bündnis Anderes Russland über die Nominierung eines gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten kündigte Kasjanow an, eine neue Oppositions-Koalition bilden zu wollen, der die Union Rechter Kräfte (SPS), Jabloko, die Republikanische Partei von Wladimir Ryschkow, aber auch die Kommunisten angehören könnten. Überraschend war für viele, dass der Ex-Premier sich bereit erklärte, Sjuganow als einzigen gemeinsamen Kandidaten der Opposition zu unterstützen.

Ein erzwungener Schritt?

Wladimir Ryschkow und Wladimir Bukowskij heben sich von den anderen potentiellen Kandidaten ab. Im Unterschied zu Sjuganow und Jawlinskij haben sie ihre Präsidenten-Ambitionen nicht klar formuliert. Die Beteiligung am Wahlkampf sei lediglich ein erzwungener Schritt, diktiert von der Lage im Lande. "Es ist eher eine symbolische Kampagne, um die Opposition zu konsolidieren", sagte der in Großbritannien lebende ehemalige sowjetische Dissident Bukowskij am 28. Mai 2007. Noch am selben Tag wurde eine Initiativgruppe gebildet, um ihn als Präsidentschaftskandidaten aufzustellen.

Bukowskij verließ die UdSSR 1976. Zuletzt war er 1993 in Russland, als Beobachter während des Referendums über das Vertrauen zum Präsidenten und zum Obersten Rat. Als 1997 sein russischer Pass abgelaufen war, konnte er nicht mehr nach Russland einreisen. Die russischen Behörden lehnten es ab, ein Visum in seinen britischen Pass zu stempeln, mit der Begründung, er sei nach wie vor Bürger Russlands. Bukowskij hat, was seine Kandidatur angeht, keine Illusionen. Er hat kaum Aussichten, überhaupt zugelassen zu werden, denn die russische Verfassung verlangt, das ein Präsidentschaftskandidat mindestens zehn Jahre ständig in Russland gelebt haben muss.

Politisches Überleben

Sehr vorsichtig äußerte sich Anfang Juli 2007 der unabhängige Abgeordnete der Staatsduma, Wladimir Ryschkow, zu seinen Chancen, einziger Kandidat der Opposition zu werden. Bedingung sei, dass die Oppositionsparteien sich einigen und ein Verfahren zur Nominierung eines gemeinsamen Kandidaten erarbeiten.

Der Führer der Republikaner macht keinen Hehl daraus, dass für ihn nicht die Präsidentschaftswahlen, sondern die zum Parlament Priorität haben. Ryschkow sagte, seine Partei habe der "Union rechter Kräfte" (SPS) angeboten, bei den Parlamentswahlen im Dezember gemeinsam anzutreten, mit dem Ziel, eine liberale demokratische Fraktion im der Duma zu bilden. Eine Teilnahme an den Parlamentswahlen über die Listen der SPS sei, so Ryschkow, die einzige Möglichkeit, von der politischen Bühne nicht ganz zu verschwinden: "Nachdem die Wahlkreise mit einem Mandat per Gesetz abgeschafft wurden, Dreiviertel aller Parteien aufgelöst und Parteien-Bündnisse verboten wurden, bleibt nur ein Ausweg: die Parteien zu vereinigen und bei den Wahlen auf Listen der Parteien anzutreten, die registriert sind."

Aussichten weiterer Anwärter

Die Chancen von Sergej Guljajew, des jüngsten Kandidaten auf der Liste des Bündnisses Anderes Russland, sind Experten zufolge schlechter als die von Ryschkow, aber besser als die von Bukowskij. Der 45-jährige ehemalige Abgeordnete der Partei "Jabloko" in St. Petersburg wurde der Öffentlichkeit bekannt, nachdem er von OMON-Einheiten während des "Marsches der Unzufriedenen" in St. Petersburg am 3. März dieses Jahres verprügelt wurde. Ende Juli stellte die wenige Tage zuvor gegründete Nationale russische Befreiungsbewegung einen ihrer Anführer, Guljajew, als Kandidaten auf. Laut Gesetz muss die Bewegung zwei Millionen Unterschriften sammeln, damit Guljajew zugelassen wird. Er selbst kündigte an, in jedem Fall antreten zu wollen, auch wenn er nicht zum einzigen Kandidaten der Opposition gekürt werden sollte.

Was die letzten beiden Anwärter auf der Liste des Bündnisses Anderes Russland, den ehemaligen Zentralbank-Chef Viktor Geraschtschenko und den einstigen Mitinitiator des Putsches gegen Michail Gorbatschow im August 1991, Oleg Schenin, betrifft, so sind sich Experten darin einig, dass keiner von ihnen aufgrund ihres geringen Bekanntheitsgrades Chancen hat, von der Opposition als Kandidat aufgestellt zu werden.

Yuliya Siatkova
DW-WORLD.DE/Russisch, 31.7.2007, Fokus Ost-Südost