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Russland und Lettland unterzeichnen Grenzabkommen

29. März 2007

Nach jahrelangen Verhandlungen haben die Premiers beider Länder den Grenzvertrag am Dienstag (27.3.) in Moskau unterzeichnet. Mit dem Abkommen wird auch ein weiterer Abschnitt der EU-Außengrenzen festgelegt.

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Lettischer Premier Kalvitis bei Präsident Putin: Schwierige AnnäherungBild: AP

Das nun unterzeichnete Abkommen ist das Ergebnis jahrelanger komplizierter Verhandlungen zwischen Lettland und Russland. In den vergangenen zehn Jahren standen beide Seiten mehrfach kurz vor einer Einigung. Verträge wurden entworfen, unterschrieben, abgeändert - und am Ende doch nicht ratifiziert.

Die Unterzeichnung des aktuellen Abkommens wurde möglich, nachdem

die lettische Seite auf eine umstrittene Formulierung verzichtet hatte. Im Kern ging es um einen Landkreis, der früher einmal zu Lettland gehörte, seit dem Zweiten Weltkrieg aber russisch ist. Russland fürchtete Gebietsansprüche von lettischer Seite, die Riga aber jetzt aufgegeben hat.

David gegen Goliath

Die möglichen Gebietsanforderungen sind jedoch nur ein Aspekt der schwierigen Beziehungen zwischen Lettland und Russland. Im Mittelpunkt der jahrelangen Debatten zwischen beiden Ländern stehe ein kompliziertes Geflecht aus historischen Empfindlichkeiten, erklärt Ralph Tuchtenhagen, Professor für Nord- und Osteuropäische Geschichte an der Universität Hamburg: „Da gibt es Verletztheiten von Seiten der lettischen Regierung beziehungsweise der lettischen Bevölkerung. Das Problem ist natürlich, dass man sich als kleiner Staat gegenüber dem sehr viel größeren Russland sowieso in einer Defensivposition sieht. Auf der anderen Seite, wenn man es aus der russischen Perspektive sieht, haben solche Staaten wie Lettland ohnehin nur wenig Berechtigung."

Wenig Berechtigung zum Beispiel, Ansprüche auf den erwähnten umstrittenen Landkreis anzumelden. Oder aber die Sowjetzeit zwischen 1944 und 1991 als "widerrechtliche Besatzung" zu bewerten, wie es die Letten tun. Darin zeigt sich die grundverschiedene Auffassung der lettisch-russischen Geschichte auf beiden Seiten. Denn die Russen sehen sich nicht als Besatzer, sondern als Befreier der baltischen Staaten. Diese Meinungsverschiedenheiten sind auch jetzt nicht ausgeräumt, doch man hat sie aus dem Grenzabkommen ausgeklammert.

EU hält sich zurück

Die grundsätzliche Einigung zwischen Lettland und Russland wird auch bei der Europäischen Union in Brüssel für zufriedene Gesichter sorgen. Denn mit dem Beitritt Lettlands zur EU im Jahr 2004 wurde aus dem lettisch-russischen Problem ein europäisches. Die 217 Kilometer lange Grenze zwischen Lettland und Russland war zur EU-Außengrenze geworden. Dennoch hat sich die EU in dieser Grenzfrage stets mit Kommentaren und Empfehlungen zurückgehalten. Aus gutem Grund, meint Iris Kempe, Osteuropa-Expertin am Zentrum für angewandte Politikforschung an der Universität München: „Dieses Thema wurde immer sehr, sehr heruntergespielt, weil die europäisch-russischen Beziehungen da eine Rolle spielen. Deshalb ist das nicht so richtig ein europäisches Thema geworden, dass Brüssel jetzt gesagt hat: Es muss auf jeden Fall unterschrieben werden, wir machen da in Moskau Druck."

Letzte Hürde noch nicht genommen

Eine Einigung ist nun erreicht. Jetzt kommt es darauf an, dass die Parlamente beider Länder dem Abkommen zustimmen. Mit Widerständen ist zu rechnen, meint Osteuropahistoriker Ralph Tuchtenhagen: „Politisch, auf der formalen Ebene, ist es sicherlich ein Schlussstrich. Aber die Empfindlichkeiten in der Bevölkerung werden natürlich weiter bestehen, auf beiden Seiten. Insofern wird das schwierig bleiben - auch schwierig natürlich für die jeweiligen Staatsregierungen, die nach allen Seiten hin schauen müssen, dass sie den Schritt, den sie gemacht haben mit dem Grenzvertrag, auch legitimieren und verteidigen können."

Beide Seiten können nur aus der Vergangenheit lernen: Schon einmal ist ein unterzeichnetes Grenzabkommen gescheitert, weil das lettische Parlament nachträglich eine Zusatzerklärung verabschiedet hatte. Gerade die lettische Präsidentin Vaira Vike-Freiberga hofft, dass sich die Geschichte nicht wiederholt. Die endgültige Einigung mit Russland wäre die Krönung ihrer Amtszeit, die im Juni dieses Jahres endet.

Britta Kleymann

DW-RADIO/Osteuropa, 27.3.2007, Fokus Ost-Südost