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Nur Bedrohungspotentiale?

24. September 2009

Russlands Drohpotenziale im postsowjetischen Raum sind größer geworden. Drohen neue militärische Konflikte? Dazu Einschätzungen des Osteuropa-Experten Wim van Meurs vom Zentrum für angewandte Politikforschung in München.

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Dr. Wim van Meurs ist ein Experte auf dem Gebiet Südosteuropa
Dr. Wim van Meurs ist ein Experte auf dem Gebiet SüdosteuropaBild: Dr. Wim van Meurs
DW: Wie bewerten Sie die gegenwärtige Friedenslage im postsowjetischen Raum?

Dr. Wim van Meurs: Wenn man zurückblickt auf die letzten zwei Jahrzehnte, kann man sehen, dass die Entwicklung oft friedlicher verlaufen ist, als man erwartet hätte. Andererseits ist das Drohpotenzial, das in den letzten Jahren von Russland im postsowjetischen Raum aufgebaut wurde, stärker geworden. Die russische Regierung hat sich stärker profiliert in dem Gebiet, das sie früher das "nahe Ausland" genannt hat. Sie betont nun nachdrücklicher, dass sie nicht jede politische Entwicklung in dieser Region akzeptieren werde. Es ist klar, dass diese Position nicht immer zu Konflikten führen wird, wie das im letzten Jahr in Georgien der Fall war. Im Baltikum ist es aber zum Beispiel ein Dauerzustand. Die bilateralen Beziehungen sind immer noch vom russischen Bedürfnis nach Präsenz gekennzeichnet.

Das russische Parlament hat Anfang September für eine vom Staatspräsidenten initiierte Änderung des Verteidigungsgesetzes gestimmt. Demnach darf der Präsident nun die Truppen im Ausland auch ohne Zustimmung des Parlaments einsetzen. Wie friedensstiftend ist dieser Schritt Moskaus?

Friedensstiftend ist das natürlich nicht. Andererseits ist es nicht eine bedeutsame Änderung. Ich denke eher, dass dadurch erneut eine Art Bedrohungspotenzial aufgebaut werden soll. Es soll deutlich werden, dass der russische Präsident das Recht und die Möglichkeiten hat einzugreifen, wann immer er dies für nötig hält. Ich glaube nicht, dass es einen großen Unterschied macht, ob das nun der Präsident alleine entscheiden kann oder ob die Duma noch dazwischen steht.

In Russland spricht man offen darüber, dass Moskau im Falle eines zugespitzten Konflikts mit Kiew auch Militärgewalt gegen die Ukraine einsetzen könnte - so wie gegen Georgien im August 2008. Warum nimmt man dort solche Szenarien so leicht in Kauf?

Warum diese Szenarien in Russland leicht in Kauf genommen werden, ist natürlich eine schwierige Frage. Sie hängt davon ab, in welchen Kreisen diese Szenarien durchgespielt werden. Ich halte sie nicht für sehr realistisch, weil Russland mit den Energielieferungen auch immer ein Druckmittel unterhalb von Kriegshandlungen hat. Außerdem war es für Russland klar, dass von Georgien kaum Gegenwehr zu erwarten war. Aber im Fall der Ukraine könnte das wesentlich anders aussehen. Man kann nun spekulieren, dass die Idee eines militärischen Eingreifens in der Ukraine dazu dienen kann, in Russland die Gefühle einer Großmachstellung zu verstärken.

Autor: Sergej Wilhelm, Marina Baranowska
Redakteur: Bernd Johann