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Russlands halbherziger Kampf gegen Produktpiraten

Eric Albrecht23. März 2005

Produkt- und Softwarepiraten haben in Russland immer noch ein leichtes Spiel. Doch mit den Plänen für einen Beitritt zur Welthandelsorganisation wächst der Druck, dass gefälschte Produkte von den Märkten verschwinden.

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Der Handel mit schwarz gebrannten CDs blühtBild: APTN

Die große Dimitrowka-Straße im Herzen Moskaus. Auf der Fahrbahn staut sich Stoßstange an Stoßstange. Auf dem Bürgersteig hat Viktor seinen Stand aufgebaut. Er verkauft DVDs. Bei Preisen von vier Euro für brandneue Hollywood-Streifen wie "Aviator" oder "Hautnah" läuft das Geschäft meist gut.

Raubkopien - keine 500 Meter von der russischen Duma entfernt. Ein Sinnbild für Russlands halbherzigen Kampf gegen die Produktpiraten. Jahrelang haben die russischen Behörden die Augen verschlossen vor gebrannten CDs, nachgemachten Markenshampoos, Kugelschreibern und Klamotten.

Jetzt aber läuft ihnen die Zeit davon. Denn spätestens 2006 will Russland Mitglied der Welthandelsorganisation WTO werden. Doch dafür fehlt noch das "Ja" der US-Amerikaner, die ihre Zustimmung auch an einen effektiven Markenschutz knüpfen. Immerhin verliert die US-Wirtschaft Jahr für Jahr eine Milliarde Dollar durch Produkt- und Softwarepiraten in Russland.

Eine Milliarde Verlust

65 Prozent aller Waren auf dem russischen Markt waren 2004 Markenfälschungen. Das verkauft die staatliche Handelsaufsicht bereits als Erfolg: Ein Jahr zuvor lag die Zahl noch bei 80 Prozent. Dabei sind die gesetzlichen Grundlagen für den Kampf gegen die Produktfälscher längst gelegt. Doch es hakt an der Umsetzung. Gleich mehrere Behörden seien zuständig, die kaum zusammenarbeiteten. In nur wenigen Regionen gäbe es Spezialabteilungen gegen Produktpiraterie, klagt Olga Baranikowa, Vize-Direktorin der Vereinigung für intellektuelle Eigentumsrechte: "Die sind einfach zu klein, um das Problem zu lösen. Wenn an jeder Straßenecke gefälschte Markenprodukte verkauft werden, kannst du nicht an jede Ecke einen Polizisten stellen."

Oft haben sie auch kein Interesse. In der Hauptstadt Moskau ist der Elektronikmarkt Garbuschka der vermutlich größte Umschlagplatz für CDs und DVDs. Stand an Stand reihen sich hier die Händler und verkaufen Filme, Musik und Software für zwei bis vier Euro. Bei einer Razzia hätte die Polizei wohl einiges zu tun: "Die Rechtsschutzorgane sind auch nur Menschen. Als Verbraucher denken sie auch, dass das Problem nicht ernst genug ist. Dass es nicht ein so großes Verbrechen ist, Raubkopien zu verkaufen."

Kavaliersdelikte und mehr

Schwarzmarkt in Sankt Petersburg
Schwarzmarkt in St.PetersburgBild: dpa

Raubkopieren gilt in Russland immer noch als Kavaliersdelikt. Nach Angaben des US-Handelsministeriums ist nur jede zehnte in Russland gekaufte DVD legal. Städte mit weniger als 500.000 Einwohnern werden oft erst gar nicht mit Original-CDs beliefert.

Doch Produktpiraterie ist in Russland auch ein Wirtschaftsfaktor. Vier Millionen Menschen leben nach Schätzungen von Experten von dem Geschäft mit den kopierten Marken. Die Gewinne liegen oft beim zehnfachen der Produktionskosten. Gefälscht wird nicht nur in Kellern oder dunklen Hinterhöfen, sondern in ganz legalen Fabriken. Korruption macht es möglich.

Wer in Russland Medikamente nachmacht, ist in der Branche ein offenes Geheimnis. Dennoch trauen sich die geschädigten Unternehmen nicht, gegen den Pharmaproduzenten vorzugehen - seine Beziehungen zu den Behörden sind einfach zu eng. Die falsche Strategie, so Gerd Lenga, der in Moskau deutsche Unternehmen berät. "Das ist das Wasser auf die Mühlen, aufgrund derer die Beamten sagen können: Wenn der Produzent selbst kein Interesse hat, warum sollen wir dann tätig werden? Wenn davon der WTO-Beitritt Russlands abhängen würde, dann können wir noch ein paar Jahrzehnte warten." Mitmachen würden die Behörden erst, wenn sie merken, dass auch die Unternehmen Geld und Zeit in die Lösung des Problems investieren würden.

Hartnäckige Argumente

Produktpiraterie bedeutet für die Markenfirmen nicht nur entgangenen Umsatz. Schlimmer ist oft noch der Imageschaden: Minderwertige Qualität oder schlechter Geschmack von gefälschten Markensachen bleibt nämlich am Original hängen und nicht an der Kopie.

Halbherziges Engagement von Unternehmen, Untätigkeit der Behörden und das Fehlen eines Problembewusstseins in der Bevölkerung - all das spielt den Produktpiraten in die Hände. Die vertreten ihre Interessen bislang lautstark in der Öffentlichkeit: "Sie treten überall auf, und bringen Argumente wie: Man müsse nicht die ausländischen Hersteller schützen, sondern die russischen. Und außerdem seien die russischen Verbraucher nicht reich genug, um lizensierte Waren zu kaufen", sagt Olga Baranikowa.