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Russlands Seele am Rhein

Anastassia Butsko17. Mai 2007

Die Moskauer Tretjakow-Galerie, das wohl wichtigste nationale Museum Russlands, zeigt in Bonn zahlreiche Schlüsselwerke der russischen Malerei. Die Ausstellung spannt den Bogen vom Biedermeier zum Realismus.

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Ein Besucher betrachtet in der Bundeskunsthalle in Bonn das Gemälde "Kreuzprozession im Gouvernement Kursk" (1881-1883) von Ilja Repin
Ein Besucher betrachtet das Gemälde "Kreuzprozession im Gouvernement Kursk" (1881-1883) von Ilja RepinBild: AP
Das Gemälde "Golgatha" (1893) von Nikolai Ghe vorbei, Quelle: AP
Das Gemälde "Golgatha" (1893) von Nikolai Ghe vorbeiBild: AP

150 ist die "magische Zahl" der Bonner Ausstellung "Russlands Seele: Ikonen, Gemälde, Zeichnungen aus der Tretjakow-Galerie Moskau". Vor 150 Jahren ist die Galerie gegründet worden. 150 Tausend Objekte zählt die Sammlung heute. 150 hochkarätige Werke sind für die Bonner Ausstellung ausgewählt worden - von denen zählen viele (wie etwa "Die Unbekannte" von Kramskoj oder die Schlüsselwerken von Venezianov und Schischkin) zu den wahren Ikonen der Russischen Kunst und werden zum ersten Mal im Westen gezeigt.

Wichtigstes Nationalmuseum

"Wir mussten uns anstrengen, um zu Hause keine kahlen Wände zu hinterlassen", sagt Lidia Iovleva, stellvertretende Direktorin der Tretjakow-Galerie und lacht. "Dort werden provisorisch Werke aus unseren Beständen gezeigt." Aber Ausstellungen wie diese seien sehr wichtig. "Wir wollen näher, bekannter für das westeuropäische Publikum werden."

Auch für Wenzel Jacob, Intendant der Kunst- und Ausstellungshalle, ist die Tretjakow-Ausstellung nicht nur Chefsache, sondern fast eine Familienangelegenheit. "Genau 30 Jahre ist es her, dass ich als Student in der Tretjakow-Galerie deutsche Touristen geführt habe", erzählt er.

"Die Vision des Knaben Bartholomäus" (1889-1890) von Michail Nesterow, Quelle: AP
"Die Vision des Knaben Bartholomäus" (1889-1890) von Michail NesterowBild: AP

Wenn die Moskauer Tretjakow-Galerie sich als "das wichtigste nationale Museum Russlands" bezeichnet, ist das keine Angeberei. Im Gegensatz zur Eremitage, einer "Zarensammlung", ist die Moskauer Gemäldegalerie ein Sinnbild des aufstrebenden Bürgertums. Deswegen ist die Bonner Ausstellung auch eine Hommage an den Gründer der Sammlung - den Moskauer Kaufmann und Mäzen Pawel Tretjakow.

Teuflisch guter Geschmack

"Es ist ganz klar, dass wir nur einen gewissen Ausschnitt zeigen konnten, aber wir haben festgestellt, dass die Tretjakow-Galerie zwar weltberühmt ist, aber nur die wenigsten wissen, dass sich hinter diesem Namen eine reale Persönlichkeit verbirgt", sagt Agnieszka Lulinska, die Kuratorin in Bonn. "Wir wollen damit zu den Ursprüngen der Galerie kommen und zu den Prämissen von Tretjakow."

Dabei hatte man das Glück, dass Pawel Tretjakow, wie einer seiner Künstler sagte, einen "teuflisch guten Geschmack" hatte und die absoluten Schlüsselwerke zusammengetragen hat. Die Ausstellung setzt im russischen Biedermeier an und führt über die russische Romantik (die Russen haben mit anderen Nordeuropäern die Italien-Sehnsucht geteilt) zum russischen Realismus der Wanderer-Bewegung. An die Historienmaler mit Ihrer Geschichte der russischen Herrscher, Helden und Häretiker knüpft die auf besonderen Wunsch von Tretjakow angelegte "Ahnengalerie" an - Porträts von Mussorgskij, Tolstoj und Dostojewskij, gemalt von Ilja Repin oder Iwan Kramskoj. Mit Mikhail Wrubel schafft die Russische Kunst den Durchbruch in die Moderne.

"Der westliche Zuschauer sieht bekannte Stilrichtungen, sieht aber auch die russische Eigenart", unterstreicht Lidia Iovleva. Eine kleine, aber feine Auswahl aus der Tretjakow-Ikonensammlung präsentiert die sakrale Kunst Russlands. Die Ausstellung schließt symbolisch mit dem Bild "Über dem ewigen Frieden" des berühmten Landschaftsmalers Isaak Lewitan - das letzte Bild, das der 1898 verstorbene Tretjakow gekauft hatte. Die weitere Entwicklung der Sammlung wird wohl das Thema der nächsten Ausstellung sein.