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Russlands Wirtschaft schaut gern Richtung Balkan

6. März 2008

Russische Investoren engagieren sich zunehmend in Südosteuropa. Kritiker warnen vor wachsender Abhängigkeit, andere begrüßen die Investitionen als Stimulierung der heimischen Wirtschaft.

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Gasprom auch in SüdosteuropaBild: AP

Die jüngsten wirtschaftlichen Aktivitäten Russlands auf dem Balkan sind nicht zu übersehen, zumeist im Energiesektor. Mit Bulgarien und Griechenland wurde der Bau einer Erdöl-Pipeline vereinbart. In Serbien ist die Erdölindustrie an die russischen Konzerne Gasprom, Neft und Lukoil verkauft worden. Und alle drei Länder sind an dem Projekt des künftigen South-Stream-Systems für Transit und Lieferung von russischem Erdgas in die EU beteiligt. Auch die Raffinerie in Bosanski Brod, das im serbischen Teil Bosniens liegt, gehört inzwischen dem russischen Konzern NeftegazInKor.

Eine verständliche und wirtschaftlich logische Entwicklung, meint Roland Götz, Russlandexperte von der Stiftung Wissenschaft und Politik aus Berlin: „Es ist ganz normal, dass ein Land wie Russland mit den Ländern seiner näheren oder ferneren Nachbarschaft Beziehungen pflegt. Dass die Investitionen Russlands vor allem im Energiebereich geschehen, ist kein Zufall. Denn die Energieunternehmen Russlands gehören zu den stärksten russischen Unternehmen. Sie können investieren, sie haben die finanziellen Mittel. Sie haben Interesse vor allem in diesen Bereichen, wo es darum geht, Leitungen, Pipelines und Speicher zu errichten. Das entspricht der Tatsache, dass der Balkan eine gewisse Transitfunktion erfüllt für russische Energieträger, für Öl und Gas.“

Sorge über Abhängigkeiten

Wer da Angst vor der Abhängigkeit hat, sollte nicht vergessen, dass sie insbesondere im Energiesektor immer zweiseitig ist: Wenn die Öl- oder Gasleitungen einmal gebaut sind, dann stehen sie, man kann sie nicht einfach so verlegen, betont Götz. Denn eine Pipeline hat immer zwei Enden: „Die russischen Unternehmen sind vom europäischen Markt sehr stark abhängig, weil das ihr hauptsächlicher Absatzmarkt ist für Öl und Gas. Und sowie Pipelines beteiligt sind, ist das eine ganz, ganz starke gegenseitige Abhängigkeit, so dass man das Wort Abhängigkeit da gar nicht mehr benutzen kann.“

Doch diese Entwicklung wird in den Balkan-Ländern oft zwiespältig beurteilt: Einerseits heißt man das frische Geld der russischen Investoren willkommen. Man freut sich, an dem riesigen Geschäft im Energiesektor beteiligt zu sein. Andererseits wächst die Sorge von der eigenen politischen Erpressbarkeit. Schon jetzt sind viele Länder Südosteuropas, wie etwa Kroatien, Bosnien-Herzegowina oder Serbien von den russischen Erdöl- und Gaslieferungen in hohem Maße abhängig - Tendenz steigend. Und schon jetzt ist Russland für die meisten Länder der Region einer der wichtigsten Absatzmärkte für Exportprodukte. Werden bald auch politische Forderungen kommen, fragt man sich besorgt.

Verflechtungen zwischen Staat und Wirtschaft

Wohl eher nicht, glaubt Oliver Wieck, Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft: „Natürlich ist Gasprom teilweise im Staatsbesitz. Natürlich handelt es sich hier um einen strategischen Bereich, wie das auch in vielen anderen Ländern der Fall ist, wo teilweise solche Unternehmen in hundertprozentigem Staatbesitz sind. Das man sich hier abstimmt in Vorgehensweisen, das ist auch verständlich. Das passiert auch in anderen Ländern, wie etwa Frankreich oder Italien, wo solche Unternehmen in Staatsbesitz sind. Aber, dass hier eine unheilvolle Allianz entsteht, wie das auch oft beschrieben wird, das kann ich so nicht sehen.“

Auch wenn solche Abstimmungen zwischen den politischen und wirtschaftlichen Machtzentren keine russische Spezialität sind, sie außer Acht zu lassen wäre doch leichtsinnig, glaubt Zekarijah Smajic, Publizist und politischer Analytiker aus Sarajewo. „Politik und Wirtschaft gehen immer in die gleiche Richtung, auch wenn die Gleise unterschiedlich sind. Wenn politisch die Wege nicht passierbar gemacht worden sind, geht die Wirtschaft auch nicht in das Land. Insoweit diktiert Politik schon, ob in einer Region nennenswerte wirtschaftliche Aktivitäten stattfinden oder nicht“, meint Smajic.

Falsche Sichtweise

Oliver Wieck vom Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft warnt davor. Russland als Bedrohung zu sehen. Es sei vielmehr Partner – sowohl wirtschaftlich, als auch politisch. „Kein Land wird ein Interesse daran haben, die Märkte, die für sich am lukrativsten sind, dadurch kaputt zu machen, indem man eine Politik betreibt, die letztlich dazu führt, dass mein Partner oder mein Markt wegbricht, weil das Misstrauen zu groß geworden ist und man sich um Alternativen bemüht hat, die es mir unmöglich machen, diesen Markt weiter zu bedienen“, sagt Wieck.

Zoran Arbutina, DW-Bosnisch