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Südosteuropas Medien im Umbruch

9. Mai 2005

Pressefreiheit ist zwar erreicht, aber die Unabhängigkeit der Presse noch nicht. Das ist das Fazit eines Kongresses in Zagreb zum Thema "Verantwortung und Einfluss der Medien nach 15 Jahren Transition in Südosteuropa".

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Der kroatische Präsident Stipe Mesic kritisierte den Trend zum BoulevardjournalismusBild: AP

Dieser Kongress fand kürzlich in Zagreb statt und wurde von der Konrad-Adenauer-Stiftung veranstaltet. Medienfachleute aus Europa und der Region diskutierten über die Rolle der Medien bei der Demokratisierung einer Gesellschaft und über die Pressefreiheit in Südosteuropa. Die Konferenz warf eine ganze Reihe von Fragen auf, mit denen der Journalismus heute konfrontiert ist. Etwa dem zunehmenden Einfluss der Eigentümer, dem sich Redaktionen und Journalisten ausgesetzt sehen. Hinzu kommt die schwierige soziale Lage der Journalisten.

Kritik am Boulevardjournalismus

Der kroatische Staatspräsident, Stjepan Mesic, eröffnete die Konferenz mit einer scharfen Kritik am Orientierungstrend der Medien hin zum Boulevardjournalismus. "Wir haben eine Medienszene, in welcher die Begriffe Verantwortung und Ethik unbekannt sind. Sie wird von Skandal-Berichterstattern und Unterwelt-Kennern beherrscht anstatt von Journalisten von Rang und Namen, deren Wort gehört wird, deren Informationen Glauben geschenkt wird und deren Meinungen akzeptiert werden", sagte Mesic.

Pressefreiheit in Kroatien

Über den Zustand des kroatischen Journalismus sprach auch die Leiterin des Medienbüros der OSZE in Kroatien, Antonella Cerasino: "Mein Eindruck ist, und das ist auch der Standpunkt der OSZE, dass die Lage in den Medien allgemein und die Presse- und Meinungsfreiheit in Kroatien relativ gut ist, auch wenn es in lokalen Medien, die erheblich unter dem Einfluss der Politik stehen, viele Probleme gibt." Im Hinblick auf die Medien konzentriere sich die OSZE auf das Thema der Verleumdung, die in Kroatien nach wie vor einen strafrechtlichen Tatbestand darstellt. Das sei Besorgnis erregend. "Nach zahlreichen Diskussionen über diese rechtliche Problematik haben wir uns mit der Regierung über einige Grundprinzipien geeinigt, " sagte Cerasino. Die Umsetzung stehe jedoch auf einem anderen Blatt, insbesondere auf lokaler Ebene. Feststellbar sei eine Diskrepanz zwischen dem, was auf zentraler Ebene und dem, was in den restlichen Teilen des Landes geschehe. "Und das ist vermutlich einer der Gründe für die Schwierigkeiten und Verzögerungen bei der Umsetzung der Reformvorhaben, was sich auch im Medienbereich wiederspiegelt", sagte die OSZE-Vertreterin.

Medien im Konzentrationsprozess

Thomas Melzer, Journalist und Medientrainer aus Hannover, sprach über die Zukunft des Journalismus auf europäischer und globaler Ebene, die in hohem Maße von den Interessen des Marktes bestimmt werde. "Die wichtigsten Punkte sind, dass auf der einen Seite in den Medien derzeit ein Konzentrationsprozess stattfindet, der mächtige und große Strukturen hervorbringt - sowohl in den Print- als auch in den elektronischen Medien. Auf der anderen Seite sollte die Politik dies als eine Chance sehen, um neue Spielregeln einzuführen und angesichts der Globalisierung mit der Zeit Schritt zu halten." Dabei müsste sie im Auge behalten, dass bei der Wahrung kultureller und regionaler Besonderheiten gerade die Medien eine entscheidende Rolle spielten. "Vor einem anderen, nämlich technischen Hintergrund betrachtet, befinden wir uns in einer Situation, in der das Medium Internet an Bedeutung gewinnt. So wird auch von der Politik, beziehungsweise den Politikern, die Reife verlangt, die Rahmenbedingungen für das Funktionieren solcher Medien zu definieren", so Melzer.

Journalisten und Medienunternehmer

Wovon zeugen 15 Jahre Transition in den Länder Südosteuropas? Dazu Thomas Melzer: "Seit 15 Jahren sind die Medien in Südosteuropa praktisch frei. Das ist ein großes Thema, und ich denke, das größte Problem ist - und das sage ich aus eigener osteuropäischer Erfahrung - dass sich auf dem Markt neue Spieler aufgestellt haben." Auf der einen Seite stünden ausländische Medienunternehmer, auf der anderen Journalisten und ihr Beruf. "Sowohl die einen als auch die anderen müssen oder mussten ein neues Verständnis für die eigene Rolle entwickeln: was stellen sie dar, welche Rolle spielen sie in der Gesellschaft und was können sie erreichen."

Journalismus als Geschäft

Saso Jordanovski, Chefredakteur des Magazins Forum aus Skopje, sagt, dass die modernen Standards im Journalismus diesen Beruf als Geschäft betrachteten. Dies habe die Branche vor neue Aufgaben gestellt. So müsse sie ihren Berufszweig von Grund auf hinterfragen. Wie soll man sich in diesem Chaos zurechtfinden? "Das ist eine komplexe Materie, der man auf dem Balkan kritisch gegenübersteht mit dem Wunsch, das Ideal zu erreichen, das es meiner Meinung nach nicht einmal in der EU gibt." Jordanovski zufolge ist dies auch der Grund, warum es in der EU zwar eine Verordnung über die Sauberkeit der Gewässer oder über das Aussehen und die Beschaffenheit von Bürgersteigen gebe, aber keine klare Verordnung darüber, wie unabhängiger Journalismus auszusehen habe und wie er zu regeln sei.

Gibt es aus der mazedonischen Sicht eine Patentlösung für diese Fragen? Saso Jordanovski sagt dazu: "Es gibt nur einen Weg, und dieser heißt Reifungsprozess." Dies setze verschiedene Prozesse voraus, die im Journalismus und in der Öffentlichkeit noch stattfinden müssten. "Hier geht es um die Anstrengungen einer ganzen Generation. Das journalistische Geschäft spiegelt die Zustände in unseren Ländern wieder. Das ist nicht etwas, was man von außen einführen kann, sondern etwas, was mit der Situation in der Politik und dem allgemeinen Niveau der Kultur und Bildung verbunden ist."

Ljubica Letinic, Zagreb
DW-RADIO/Kroatisch, 4.5.2005, Fokus Ost-Südost