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Saddams Hinrichtung

Das Gespräch führte Loay Mudhoon 29. Dezember 2006

Die Vollstreckung des Todesurteils gegen Saddam Hussein hätte keine besonderen Auswirkungen auf die künftige Entwicklung im Nachkriegsirak, sagt Nahost-Experte Jochen Hippler.

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Der frühere irakische Regierungschef bei einer Verhandlunge Anfang November 2006 in Bagdad (Foto: AP)
Der frühere irakische Regierungschef bei einer Verhandlunge Anfang November 2006 in BagdadBild: AP

DW-WORLD.DE: Die irakische Regierung kündigt die zügige Vollstreckung des Todesurteils gegen Saddam Hussein. Warum hat man es so eilig?

Jochen Hippler: Ich glaube, dass es nicht so sehr um Eile geht, sondern vielmehr um eine Unklarheit des Termins. Mein Eindruck ist, dass es darum geht, den genauen Termin der Hinrichtung im Unklaren zu lassen, damit sich Proteste in Teilen der sunnitischen Bevölkerung nicht genau auf so einen Hinrichtungstermin hin organisieren können.

Anfang 2007 wird Saddam Hussein 70 Jahre alt, was seine Hinrichtung aus Altersgründen verhindern könnte. Wird dies eine Rolle bei der Vollstreckung des Todesurteils gegen ihn spielen?

Nach den Gesprächen, die ich im Irak nach dem Krieg führte, glaube ich, dass es einen großen Druck auf die Hinrichtung Saddams in großen Teilen der Bevölkerung gibt, insbesondere in der kurdischen und schiitischen Bevölkerung, so dass es der irakischen Regierung sehr schwer fallen würde, diesem Druck nicht nachzugeben -

jenseits von Fragen juristischer Details.

Die Vereinten Nationen warnen vor übereilter Hinrichtung Saddams. Die EU kritisiert die mögliche Hinrichtung, da sie prinzipiell gegen die Todesstrafe ist. Teilen Sie diese Kritik und soll die EU darauf bestehen, dass das Todesurteil nicht vollstreckt wird?

Ich teile diese Kritik, weil ich von der Todesstrafe persönlich auch überhaupt nichts halte. Und ich glaube, dass selbst für eine Person wie Saddam Hussein, wo es wirklich sicher ist, dass er persönlich sehr viel Blut an den Händen hat, dass selbst so eine Person nicht so behandelt werden sollte, wie er andere Menschen behandelt hat. Andererseits hat die EU kaum Möglichkeiten, Druck auf die irakische Regierung auszuüben, da diese schwach und mit massiven innenpolitischen Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Die EU wird alles tun, damit sich die Lage im Irak nicht weiter verschlimmert. Außerdem müssen wir daran denken, dass die Kritik an der Todesstrafe andere starke Länder wie die USA und China treffen müsste. Ein schwaches Land wie den Irak wegen der Todesstrafe besonders unter Druck zu setzen würde nicht glaubwürdig wirken und Fragen der Ungleichbehandlung aufwerfen.

Viele Iraker verstehen nicht, weshalb die Europäer gegen die Hinrichtung Saddams sind und verweisen auf die Nürnberger Prozesse gegen die Kriegsverbrecher des Dritten Reiches?

Das ist richtig. Im Irak herrscht Unverständnis, wenn man die Todesstrafe kritisiert, weil man das Gefühl hat, man würde sich auf die Seite Saddams Husseins stellen, was natürlich falsch und unsinnig wäre. Das hat einerseits sicherlich mit der extrem großen Verbitterung gegenüber dem früheren Diktator in großen Teilen der irakischen Bevölkerung zu tun. Andererseits hat der Irak keine Tradition von Rechtsstaatlichkeit. Dass aber rechtsstaatliche Verfahren ein Wert an sich sind, ist für die meisten Iraker neu. Und es wird lange dauern, bis dies in der irakischen Gesellschaft Fuß fasst.

Wird sich durch die Hinrichtung von Saddam Hussein an der Sicherheitslage im Irak etwas ändern?

Das glaube ich überhaupt nicht. Die Ankündigung mancher sunnitischer Kräfte, jetzt Anschläge gegen amerikanische Ziele zu verüben, ist recht verwirrend, da diese Ziele seit langem angegriffen werden. Ich glaube, 80 Prozent aller Anschläge im Irak richten sich gegen US-Ziele, allerdings nicht die blutigsten, da die US-Truppen sich besser schützen können als die Zivilbevölkerung. Da wird sich nicht viel ändern. Inzwischen ist Saddam Hussein in der Tagespolitik und in der irakischen Innenpolitik nur noch eine psychologische Größe, aber keine, die besonderen Auswirkungen auf Friedens- oder Konfliktsverkäufe hätte.

Jochen Hippler lehrt und forscht am Institut für Entwicklung und Frieden (INEF) an der Universität Duisburg-Essen.