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Sag niemals "Njet" - vor allem als Beamter

Stephan Hille, Moskau7. Februar 2006

Sieben Jahrzehnte Kommunismus haben in Russland ihre Spuren hinterlassen. Viele Teile des Landes gelten noch immer als Dienstleistungs-Wüste. Das soll nun besser werden, zumindest bei den berüchtigten Amtsschimmeln.

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Vor mancher Ladentheke droht der Kunde zu vereinsamen, er gilt noch immer oft als Störenfried. Und noch häufig trifft man auf das absurd-vertraute Bild von Schalterbeamtinnen, die sich in aller Seelenruhe um ihr Make-up kümmern, während sich ungeduldige Bittsteller auf der anderen Seite des Schalters die Beine in den Bauch stehen.

Bitte tief verbeugen

Den schlechtesten Ruf haben die Beamten und Sachbearbeiter auf den Behörden. Sie sind dafür berüchtigt, die Anliegen von Bürgern häufig einsilbig abzuweisen. Service und Bürgernähe sind ihnen ein Fremdwort. Die russischen Bürokraten haben das Image von Nein-Sagern. Bittsteller müssen sich noch immer häufig tief verbeugen, um durch ein kleines Sichtfenster – nicht selten auf Hüfthöhe der Antragssteller – den Kontakt mit dem zuständigen Sachbearbeiter herzustellen. Hinter dem Sichtfenster verschanzt sich der Staatsdiener wie hinter einer Schießscharte. Formulierungen wie: "Geht nicht", "ich bin nicht zuständig" oder "kommen Sie morgen wieder" gehören zum Standardwortschatz der Bürokraten.

Die Moskauer Stadtverwaltung hat nun den Nein-Sagern in den Amtsstuben den Kampf angesagt. Mit speziellen Kursen sollen die Amtsschimmel gezähmt werden. Künftig soll statt rauem Ton eine angenehme Atmosphäre der Hilfsbereitschaft herrschen. Im kommenden Halbjahr werden mehr als 800 Moskauer Beamte die Schulbank drücken. Auf dem Beamten-Curriculum stehen Benehmen, Auftreten, Sprache und die Rettung einer akut vom Aussterben bedrohten Körperhaltung: Dem Lächeln.

"Kommunikabelnost"

Im Kern des Benimm-Kurses, unter dem Titel "Die Kunst des Fachgesprächs" geht es um "Kommunikabelnost", ins Deutsche übersetzt heißt das so viel wie die Fähigkeit, zu kommunizieren. Ein Spezialist für Rhetorik schärft den Kursteilnehmern ein, möglichst niemals das Wort "Njet" (Nein) zu gebrauchen. Ferner stehen ganz oben auf dem Tabuwortschatz für die freundlichen Beamten in spe die Worte "warum" und "darum". Denn diese knappen Formulierungen würden den Gesprächspartner ermüden und eine zu große Distanz schaffen, so der Spezialist für warme Gespräche.

"Vergessen Sie nicht", so wird der Seminarleiter in Medienberichten zitiert, "dass der Beamte vor allem ein Diener des Volkes ist". Zur Grundausstattung des freundlichen Staatsbeamten gehört also die Bereitschaft und die Fähigkeit, das Anliegen eines Bürgers zu begreifen und zielgerichtet an der Lösung des Problems zu arbeiten. Und schließlich: Lächeln gehört zum guten Ton, selbst am Telefon.

Vorbild Putin

Als Vorbild für eine gute Körperhaltung gilt den Imagemachern Präsident Wladimir Putin. Das Staatsoberhaupt trägt das Haupt im Zwiegespräch stets leicht gesenkt. Das, so die Spezialisten, signalisiere totale Aufmerksamkeit und eine größtmögliche Konzentration auf das Gespräch.

Bleibt zu hoffen, dass die Bürokraten-Benimm-Kurse Früchte treiben. Ein freundlicher Umgang dürfte auch im ureigenen Interesse der Staatsdiener sein, schließlich ist ihr Ruf in der Bevölkerung mehr als schlecht. Laut einer Umfrage sehen mehr als 70 Prozent der Befragten Beamte eher als ein Hindernis als eine Hilfe. Und für sogar 90 Prozent ist der Begriff "Bürokrat" eindeutig negativ belegt. Also: Bitte freundlich lächeln.