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Iren stimmen erneut über Lissabon-Vertrag ab

2. Oktober 2009

In Irland läuft das zweite Referendum über den EU-Reformvertrag von Lissabon. Sollten die Iren wie bereits 2008 erneut mehrheitlich mit "Nein" stimmen, wäre die Reform der Europäischen Union wohl gescheitert.

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Plakat der Ja-Kampagne zum Referendum über den EU Lissabon-Vertrag in Irland am 02. Oktober 2009 (Foto: AP)
Schlichte Plakate: Irland braucht EuropaBild: AP

Die Aussagen auf den Wahlplakaten, die an jeder Straßenlaterne in der irischen Hauptstadt Dublin hängen, sind eher schlicht. "Irland braucht Europa!" heißt es da bei der Regierungspartei Fianna Fail. "Lissabon macht alles noch schlimmer!" plakatiert dagegen die sozialistische Partei. "Mindestlohn 1,84 Euro!" behauptete die konservative Splitterpartei Coir. Und die Ja-Sager hielten einfach mit "Stimmt für Europa!" dagegen.

Plakat der Nein-Kampagne zum Referendum über den Lissabon Vertrag in Irland am 02. Oktober 2009 (Foto: Bernd Riegert)
Die EU soll Schuld sein: Mindestlohn 1,84 €?Bild: Bernd Riegert

Alles Lügen?

In den Fernsehdebatten beschimpften sich Anhänger und Gegner des Reformvertrages im Vorfeld des Referendums an diesem Freitag (02.10.2009) leidenschaftlich und bezichtigten sich gegenseitig der Lüge. Europagegner Declan Ganley warf dem Ryanair-Boss Michael O-Leary vor, er wolle mit dem für seinen Billigflieger zuständigen Transportkommissar der EU kuscheln. O’Leary schoss zurück, Ganley sei ein mit seiner Libertas-Partei gescheiterter Politiker, der noch eine letzte Pirouette im Rampenlicht der Lissabon-Kampagne drehen wolle.

Und auch auf der Straße tummeln sich die Gegner und Befürworter des Lissabon-Vertrags. In der Fußgängerzone verteilt der Politikstudent Patrick Molloy Flugblätter, versucht die Passanten in Gespräche zu verwickeln und mit dem Inhalt des Lissabon-Vertrages vertraut zu machen. Für Patrick Molloy, der die Gruppe "Generation Yes" in Dublin organisiert, gibt es aus der tiefen Wirtschaftskrise nur mit der Europäischen Union einen Ausweg. Damit liegt er ganz auf der Linie von Premierminister Brian Cowen, der in seinen zahlreichen Pressekonferenzen vor dem Referendum immer wieder das Gleiche sagt: "Irland braucht Europa. Mit Europa schaffen wir Arbeitsplätze."

Ein junger Mann steht vor einem Baum mit Flyern in der Hand (Foto: Bernd Riegert)
James Bradley wirbt auf den Straßen für ein NeinBild: DW

Einige Straßenecken weiter hat James Bradley mit seiner linken Friedensgruppe einen bescheidenen Stand aufgebaut. Für ihn bedeutet der Lissabon-Vertrag eine Militarisierung Irlands. Irland müsse aufrüsten und seine Neutralität aufgeben, will der Student im Vertrag gelesen haben. Deshalb: Nein! Viele junge Leute sähen das so, glaubt James Bradley. Die älteren Iren seien allerdings eher europafreundlich, gibt er zu. Vielleicht können sich einige noch daran erinnern, welchen Aufstieg zum keltischen Tiger das einstige Agrarland Irland genommen hat, seit es 1973 der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft beitrat.

Lissabon muss für Vieles herhalten

Die Schülerin Cale Perrin hat im Dubliner Vorort Blackrock eine Diskussionsveranstaltung mit Spitzenpolitikern in ihrer Schule organisiert. Vom Wahlkampf ist sie enttäuscht. Die meisten Leute hätten überhaupt keine Ahnung, was der Lissabonvertrag wirklich bringt - sie eingeschlossen. Es gäbe Behauptungen und Panikmache auf beiden Seiten, glaubt sie. "Keiner weiß wirklich Bescheid."

Blick von hinten auf eine Podiumsdiskussion (Foto: Bernd Riegert)
Politiker versuchen, den Vertrag von Lissabon zu erklärenBild: DW



Auch die irische Sozialministerin Mary Hanafin war bei der Diskussion dabei. Irland dürfe jetzt nicht abseits stehen, sagte sie. Der Vertrag sei gut, die Einzelheiten kompliziert. Sie sieht die Gefahr, dass die von der Wirtschaftskrise frustrierten Iren, ihrem unbeliebten Regierungschef Brian Cowen mit einem Nein eins auswischen wollen. "Viele Menschen sind entmutigt, weil die Wirtschaft so eingebrochen ist und ihre Familien belastet. Aber die Tatsache, dass alle Parteien, bis auf eine, für ein Ja kämpfen, zeigt, dass hier nicht um Parteipolitik oder die Regierung geht. Das ist größer, es geht um die Zukunft Irlands", sagt Mary Hanafin.

"Yes" liegt in Umfragen vorne

Ein Mann mit Megafon in einer Fußgängerzone (Foto: Bernd Riegert)
Kurz vor der Abstimmung liegen die Ja-Sager vorneBild: Bernd Riegert

In den Meinungsumfragen liegt das Nein-Lager kurz vor dem Referendum bei rund 25 Prozent. 48 bis 55 Prozent wollen Ja sagen. Der Rest ist noch unentschlossen. Die irischen Wahllokale schließen am Freitag um 23 Uhr MESZ. Das Ergebnis des Referendums dürfte am frühen Samstagnachmittag feststehen.



Autor: Bernd Riegert
Redaktion: Julia Kuckelkorn