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Politik

Muslim: Ich sollte aus Prag entführt werden

Kayhan Karaca
25. April 2018

Salih Muslim, ehemaliger Chef der syrischen Kurdenpartei PYD, behauptet, man habe ihn in Tschechien entführen wollen. Momentan stehe er unter Polizeischutz. Mit der DW sprach Muslim in Straßburg über seine Situation.

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Frankreich Straßburg Salih Muslim
Bild: DW/K. Karaca

Deutsche Welle: Herr Muslim, Sie wurden im vergangenen Februar in Tschechien festgenommen, nachdem die Türkei Sie über Interpol zur Verhaftung ausgeschrieben hat, zwei Tage später aber wieder freigelassen. Warum?

Salih Muslim: Einen Tag vor meiner Festnahme hatten türkische Medien Fotos von mir in Prag veröffentlicht. Die tschechische Polizei war darüber informiert und mit mir im selben Hotel, um mich zu schützen. Am Tag meiner Festnahme wurde gegen 11 Uhr an meine Tür geklopft. Es waren fünf, sechs Polizeibeamte sowie ein Übersetzer. Sie ließen mich auf Englisch wissen, dass sie gekommen sind, um mich festzunehmen. Ich fragte sie, worum es gehe. Aber sie antworteten lediglich, dass sie den Befehl haben, mich festzunehmen. Sie sagten auch, dass dieser Befehl auf Wunsch der Türkei erteilt wurde.

Wie haben Sie darauf reagiert?

Ich sagte "Alles klar!" und habe meine Sachen gepackt. In der Zwischenzeit habe ich meine Freunde telefonisch darüber informiert. Ich hatte aber nur Zeit zu sagen: "Auf Wunsch der Türkei holt mich die Polizei jetzt ab". Dann haben sie mir das Telefon weggenommen.

Wurden Sie in der Polizeistation verhört?

Nein, ich wurde nicht verhört. Sie haben mich einfach festgenommen, registriert und mich einer Gesundheitskontrolle unterzogen. Dann haben sie kontrolliert, welche Gegenstände ich an mir oder in meiner Tasche hatte. Das  Ganze lief bis zum nächsten Tag. Ich war alleine in der Zelle. Es fand aber kein Verhör statt. Dann haben sie mir gesagt, dass sie mich zum Gericht bringen würden. Also fuhren wir dahin. Dort antwortete ich auf die Fragen und am Ende durfte ich gehen. Ich weiß nicht, was zu diesem Zeitpunkt draußen geregelt wurde. Aber es sah so aus, als hätte mein Anruf bei den Freunden einiges bewirkt.  

Tschechien Salih Muslim
Salih Muslim in PragBild: picture alliance/dpa/CTK/V. Šimánek

Die Türkei fordert Europa auf, Sie auszuliefern. Könnte es passieren, dass ein europäisches Land dem Ruf der Türkei folgt? 

Die gesetzlichen Regelungen lassen das eigentlich nicht zu. Aber natürlich kann so etwas durchaus ohne einen gesetzlichen Rahmen geschehen. So wie es im Kosovo oder woanders schon vorkam. Deswegen muss man vorsichtig sein.

Haben Sie die europäische Polizei um Schutz gebeten?

Wenn ich in einem Land ankomme, informiere ich die zuständige Polizei dort und sie schützen mich. In Dänemark, in der Schweiz oder auch hier in Frankreich ist die Polizei in Kenntnis gesetzt worden.

Die türkische Operation gegen die Kurden im syrischen Afrin wurde für beendet erklärt. Das Gebiet ist nun unter türkischer Kontrolle. Wie sehen Sie die Zukunft der Region?

Türkische Armee rückt in Afrin ein
Türkische Truppen bei der Einnahme der syrischen Stadt AfrinBild: Reuters/K. Ashawi

Ziemlich düster. Keiner kann vorausahnen, wie die Türkei in der Zukunft vorgehen wird. Ich bin mir sicher, dass es auch internationalen Druck auf die Türkei geben wird. 137.000 Menschen warten an der Grenze zu Afrin. Sie wollen in ihre Heimat zurück und werden das auch tun. Sie akzeptieren nicht, was in Afrin vorgefallen ist. Wir wollen, dass diese Menschen in ihre Heimat zurückkehren können. Und wenn sie wieder da sind, müssen sie natürlich von den Vereinten Nationen geschützt werden. Derzeit werden aber andere Menschen, die nicht aus der Stadt kommen, nach Afrin gebracht. Das ist eine sehr gefährliche Politik. Das muss ein Ende haben und die Türkei muss sich zurückziehen. Sonst wird sich das zu einem neuen Brennpunkt entwickeln.

Halten Sie es für wahrscheinlich, dass die türkischen Streitkräfte sich zurückziehen, bevor der Syrien-Konflikt beigelegt ist?

Seit fünf, sechs Jahren gibt es Konferenzen in Genf. Oder Treffen im kasachischen Astana. Das sind Lösungsansätze. Aber vor allem die Türkei blockiert diese Wege. Die Türkei will keine politische Lösung. Sie sagt: "Wenn wir das Heft nicht in der Hand behalten, gibt es keine politische Lösung". Und natürlich will die Welt sich dem nicht beugen. Auf dem Weg zu einer Lösung kann Afrin der erste Schritt werden. Das syrische Volk sollte seine eigene Lösung finden und diese auch umsetzen.

Die Türkei äußert die Besorgnis, dass ihre territoriale Integrität durch die kurdischen Parteien PKK und PYD gefährdet sei. Können Sie diese Sorgen nachvollziehen?

Die Gefahr besteht nun wirklich nicht. Wir haben das von Anfang an beteuert. Auch die Kräfte, mit denen wir zusammenarbeiten, haben die nötigen Garantien dafür gegeben. Die Amerikaner haben das gesagt, auch wir geben diese Garantie.

Was erwarten Sie von europäischen Institutionen wie der Europäischen Kommission oder der Europäischen Union?

Zuerst  möchte ich erwähnen, dass wir hier sind, um Ihnen die Situation richtig schildern zu können. Und natürlich haben wir auch Vorschläge. Zum Beispiel: Warum sollte es keinen Gesandten aus Europa geben, der alles vor Ort beobachtet und festhält? Warum besucht niemand die Region? Warum wird keine Komission aufgestellt, die die Wahrheit herausfindet und dokumentiert? Das sind unsere Vorschläge. 

Das Gespräch führte Kayhan Karaca.