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Salman Rushdie stellt Autobiografie vor

Heiner Kiesel2. Oktober 2012

Der Schriftsteller musste viele Jahre untertauchen, nachdem man im Iran zu seiner Ermordung aufgerufen hatte. Trotzdem schafft er es, in seinem Buch "Joseph Anton" ohne Bitterkeit über sein Leben zu schreiben.

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Der britisch-indische Autor Salman Rushdie stellt seine Autobiografie in Berlin vor (Foto: DW/H. Kiesel)
Bild: DW/H. Kiesel

Salman Rushdie sitzt da und scherzt, als er über die Bedrohung spricht, für die sein Name inzwischen steht. Die Todesdrohung gegen einen Autoren, der den Unwillen von muslimischen Eiferern auf sich gezogen hat. Keine Erregung, als er sich an den Valentinstag 1989 erinnert. An diesem Tag erfährt er, dass der oberste Geistliche des Iran, Ayatollah Khomeini, seine Ermordung gutheißt, weil Rushdies Buch "Die satanischen Verse" den Islam verhöhne. Ein Leben in Gefahr. Bis heute. Vor kurzem noch sei das Kopfgeld auf ihn im Iran auf 3,3 Millionen Dollar angehoben worden, bemerkt Rushdie, "aber das könnte für den Mörder zu einer Enttäuschung werden, denn die haben das Geld wahrscheinlich gar nicht."

Ikone? Nein, danke!

Der indisch-britische Autor ist nach Berlin gekommen, um seine Autobiographie "Joseph Anton" vorzustellen. Der Titel leitet sich von den Vornamen der Lieblingsschriftsteller Rushdies ab: Joseph Conrad und Anton Tschechow. Es war der Deckname, den er angenommen hatte, als er untertauchte und beschützt wurde. Rushdie schreibt über ein "Ich" mit einem anderen Namen in der dritten Person. Das irritiert zu Beginn, stellt sich dann aber als ein geschickter Kunstgriff heraus, um die Erlebnisse distanziert und reflektiert wiedergeben zu können. "Das ist eine Lebensgeschichte, da muss man die Wahrheit schreiben", erklärt Rushdie, "und da geht es um ein richtiges menschliches Wesen, nicht um eine Hollywood-Heldenfigur." Er sei in der Vergangenheit oft zu einer Ikone der Meinungsfreiheit stilisiert worden, aber so fühle er sich überhaupt nicht.

Ayatollah Khomeini 1985 (Foto: AP)
Ayatollah Khomeini 1985Bild: AP

Auch jetzt gilt er vielen noch als der Mann, der in akuter Lebensgefahr schwebt. In Berlin tritt er in der Vertretung des Bertelsmann-Verlages aber ohne sichtbaren Personenschutz auf. "Ich spüre seit zehn Jahren keine echte Bedrohung mehr", stellt Rushdie fest.

Ein Leben in Gefahr

Ein Held ist er natürlich trotzdem, auch ohne dräuende Todesdrohung. Als Autor, schon weil es ihm gelingt, in den Erzählfaden von den Jahren der Verfolgung seine Geschichten über gescheiterte Beziehungen, das Ringen um seine Bücher und sein Verhältnis zum trinkenden Vater zu spinnen. Es ist bewundernswert, wie sehr er sich beim Erzählen im Griff hat und Bitterkeit und Rachegefühle meidet. "Ich bin nicht in diese Falle gegangen." Es wäre verständlich gewesen: der japanische Übersetzer der "Satanischen Verse" wurde ermordet, der italienische verletzt, der norwegische Verleger angeschossen.

Rushdie schildert ein Leben außerhalb dessen, was er als "normal" kannte. 13 Jahre dauerte dieser Zustand. Er erlebte einen radikalen Verlust der Freiheit, als er versteckt mit Sicherheitspersonal lebte, das auf die Namen Wilson und Wilton hört. Er versuchte, die Beziehung zu seinen Kindern aufrecht zu erhalten: "Dad, fragte Zafar am Telefon, haben wir je wieder ein Haus, in dem wir bleiben können?" Wenn er vor Publikum über seine Familie in den Jahren der Gefahr spricht, wird Rushdies Stimme rau und leiser.

Buchcover - Joseph Anton Die Autobiographie von Salman Rushdie (Foto: Bertelsman Verlag)
Joseph Anton: Die Autobiographie von Salman Rushdie

Spott und Ironie kehren zurück, wenn Rushdie zu den politischen Aspekten seiner Verfolgung kommt. Für ihn sei die Zeit nach dem Spruch aus Teheran ein Crashkurs in Politik gewesen, sagt er. "Ich erinnere mich noch sehr gut an ein Gespräch in Deutschland mit [Außenminister] Klaus Kinkel, der meinte, Deutschland würde seine Iran-Politik nicht wegen eines einzigen Mannes ändern - natürlich, denn Deutschland war Irans größter Handelspartner." Auch den Dänen sei der Export von Fetakäse wichtiger gewesen als die Meinungsfreiheit. Aber er habe in der Zeit der Bedrohung auch viel Solidarität erfahren, erinnert sich Rushdie, zum Beispiel von seinem deutschen Kollegen Günter Grass. "Das Buch ist auch eine Erzählung über Solidarität und Freundschaft", interpretiert der Autor sein neuestes Werk.

Jeder darf kritisiert werden

Vor allem sieht Rushdie in "Joseph Anton" eine Streitschrift für die Meinungsfreiheit und legt dieses Prinzip radikal aus. "Wenn Sie sich beleidigt fühlen von einer Idee, dann ist das Ihr Problem." Deswegen will er sich auch nicht für Verbotskampagnen instrumentalisieren lassen, wie zum Beispiel gegen den umstrittenen Mohammed-Film ”Unschuld der Muslime”. Er sei gegen viele dieser Bewegungen, die sich gegen muslimische Gemeinschaften richten, aber das dürfe nicht dazu führen, Religion von Kritik auszunehmen. Man könne sich ja wehren - aber mit Worten: "Die Vorstellung, in einer Welt zu leben, in der einen nichts beleidigt, ist absurd!"