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Samstag, 20.06.2009

22. Juni 2009

Während ich diesen Eintrag schreibe, dient mir ein Brunnen als Schreibtisch. Normalerweise werden hier Melonen und Karotten angebaut. Die Temperatur beträgt gemessene 32 °C, die Luftfeuchtigkeit gefühlte 100 %.

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Reporter Maurice Gully in seinem provisorischen "Arbeitszimmer".Bild: Maurice Gully

Jetzt bin ich also tatsächlich in Ghana. Ich steige aus dem Flugzeug aus. Eine Angewohnheit habe ich in solchen Situationen: Sobald ich auf der letzten Treppenstufe stehe, also noch einen Schritt vom fremden Boden entfernt, merke ich mir das Wort, an das ich gerade denke. Ich denke lustigerweise „Fön“. Es fühlt sich an wie ein warmer Fön, der mir ins Gesicht bläst. Acht Stunden vorher in Köln war es schmuddelig, zu kalt für den Sommer. Draußen, vor dem Flughafen wartet schon Judith Scholz auf mich. Sie werde ich die nächsten neun Tage begleiten und portraitieren. Ich bin sehr nervös, freue mich aber wie ein kleines Kind, dass alles so reibungslos geklappt hat.

Wir fahren gemeinsam durch Ghanas Hauptstadt Accra. Ich verriegele die Tür von innen und lasse das Fenster oben. So hatte man mir es in Südafrika beigebracht. „So ein Blödsinn“, sagt Judith. Fenster wieder runter, Luft ins schwül-warme Auto lassen. Tür auf und Straßenverkäuferin ranholen. Gekonnt balanciert sie eine Schüssel mit kleinen Wasser-Plastiktütchen auf dem Kopf. Sie lächelt, sie ist sehr freundlich. Ich ärgere mich ein bisschen über mich selbst – über meine Vorurteile.

Bildergalerie Auswärtsspiel Ghana. Ein Marktstand am Straßenrand: Die ghanaische Antwort auf einen Drive-In
Ein Marktstand am Straßenrand: Die ghanaische Antwort auf einen Drive-Inn. Hier gibt es auch die Wassertütchen.Bild: Maurice Gully

Ich kaufe zwei Wassertütchen. Judith erklärt mir: „Du musst sie an einer Ecke aufbeißen, dann lässt du dir das Wasser in den Mund laufen.“ Okay, das werde ich in den nächsten Tagen üben. Versprochen. Mir bleibt auch keine andere Wahl. Schließlich möchte ich mich ganz auf Ghana einlassen.

Nach 3,5 Stunden sind wir endlich in Judiths Heimatdorf Maase. Ich habe ein kleines Gästehaus ganz für mich alleine, nur einen Steinwurf von Judiths Haus entfernt. Mein Haus wird sonst nur bei Beerdigungen genutzt – wenn die Großfamilien zusammenkommen. Es sieht lustig bunt aus: Helles gelb, leichtes rosa, drinnen grüne Wände. So farbenfroh wie alle Eindrücke, die ich an meinem ersten Tag in Ghana gewonnen habe. Ich bin müde. Ich freue mich auf mein Bett. Vorher sage ich dem kleinen Gecko über meiner Zimmertür „Gute Nacht“. Er wird mich ganz sicher verstanden haben.

Autor: Maurice Gully

Redaktion: Mirjana Dikic