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Samsung vor Gericht

Zulfikar Abbany /bo19. Mai 2016

In Frankfurt hat ein Prozess gegen den Elektronikkonzern begonnen. Der Vorwurf: Samsungs internetfähige Fernsehgeräte würden bei Anschluss an das Internet Daten übertragen, ohne den Nutzer darüber zu informieren.

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OLED TV Samsung Foto: ODD ANDERSEN/AFP/GettyImages
Bild: Getty Images

Wir hätten es kommen sehen sollen. Hätten wir die Fernsehbildschirme doch nur genauso intensiv beobachtet wie diese uns. Schon vor der Ära der internetfähigen Fernsehgeräte beschrieb John Brunner in seinem Roman "Der Schockwellenreiter", was wir vielleicht demnächst selst erleben könnten. Es macht fast den Eindruck als habe der britische Science-Fiction-Autor schon in den siebziger Jahren ein Samsung Smart TV gehabt.

Der Roman spielt in einem Amerika der Zukunft, das von Computernetzen dominiert ist. Selbst das private Beichten in der Kirche ist nicht möglich: Der Beichtstuhl ist verdrahtet. Fast alles in dieser Welt wird von Computern kontrolliert und auf der Basis von Statistiken entschieden. George Orwells "1984" kann man vergessen: Das, was Brunner in seinem Roman beschreibt, ist schlimmer.

Smart TV und Fernbedienung Foto: manaemedia
Denken Sie gut darüber nach, welchen Knopf Sie auf der Fernbedienung drückenBild: Fotolia/manaemedia

Genau deswegen steht Samsung mit seinen UE40H6270-Fernsehern jetzt vor Gericht: Der Elektronikkonzern mit Hauptsitz in Südkorea soll angeblich private Daten ohne Einverständnis sammeln und dabei nicht klar angeben, was genau wann gesammelt wird. Geklagt hat die Verbraucherzentrale NRW.

Ein Musterprozess

Samsung hat sich vorher bereits in den USA Feinde gemacht, weil die Fernsehgeräte des Konzerns gesprochene Worte über eine Sprachsteuerungsfunktion aufzeichnen und übertragen. Man sagt "Fußball" und der Fernseher sucht nach Fußballspielen im Fernsehprogramm. Praktisch. Aber nicht vergessen: Das Mikrofon ist ständig auf Empfang.

Diesmal jedoch geht es um etwas anderes. Die Verbraucherzentrale NRW sagt, Samsungs internetfähiger UE40H6270-Fernseher übertrage sensible Daten, sobald der Nutzer ihn ans Internet anschließt. Zu diesen Daten gehört die IP-Adresse des Nutzers, anhand dessen Samsung ihn theoretisch identifizieren könnte. Die Verbraucherschutzorganisation fordert, dass der Fernseher standardmäßig auf eine anonyme Übertragung eingestellt sein muss.

Die erste Anhörung findet an diesem Donnerstag am Landgericht in Frankfurt statt. Es soll ein Musterprozess werden. Aber es scheint doch eher ein Schauprozess zu sein.

Daten per Knopfdruck

Laut Verbraucherzentrale NRW wird das Überwachen unserer TV-Angewohnheiten mit einer Technik namens Hybrid Broadcast Broadband TV, kurz HbbTV möglich. Damit lassen sich zusätzliche Inhalte auf dem Fernsehbildschirm darstellen. Der Zuschauer muss einfach nur den roten Knopf auf seiner Fernbedienung drücken.

Wer den roten Knopf betätigt, bringt seinen Fernseher dazu, Daten zu übermitteln. Das können Informationen über die Fernsehshow sein, die man gerade schaut, die aktuelle Uhrzeit und auch ob man den Film bis zum Ende geschaut hat oder nicht.

Infografik Smart TV

"Samsung muss vor der Nutzung der HbbTV-Funktion in verständlichen und gut wahrnehmbaren Datenschutzbestimmungen über die Erhebung und Verwendung von Daten informieren", fordert die Verbraucherzentrale NRW. "Die Standardeinstellungen müssen immer die datenschutzfreundlichsten sein."

Problem?

Klar ist es ein Problem, wenn Unternehmen potenziell sensible Daten ohne Wissen und Einstimmung des Nutzers sammeln. Das ist sogar ein großes Problem.

Im März dieses Jahres ging das Bundeskartellamt gerichtlich gegen Facebook vor und warf dem Unternehmen vor, seine Marktdominanz zu missbrauchen, indem es unklare Geschäftsbedingungen veröffentlicht und so Datenschutzregeln verletzt. "Marktbeherrschende Unternehmen unterliegen besonderen Pflichten", sagte Andreas Mundt vom Bundeskartellamt. "Dazu gehört es auch, angemessene Vertragsbedingungen zu verwenden, soweit diese marktrelevant sind."

Apple TV Box Foto: Reuters/Beck Diefenbach
Steht in den Standardeinstellungen Auto-Update, macht die Apple-TV-Box das auch.Bild: Reuters/B. Diefenbach

Wie Facebook ist auch Samsung marktbeherrschend. Und vergessen wir nicht Apple. Vor einem Jahr kaufte ich eine Apple-TV-Box. Aber ich trenne sie immer vom Internet, wenn ich sie nicht benutze. Bin ich paranoid? Nun ja, eines Abends schaute ich gerade einen alten Film auf DVD, als ich bemerkte, dass meine kleine schwarze Apple-Box blinkte. "Komisch", dachte ich, "die benutze ich doch gerade gar nicht." Es stellte sich heraus, dass Apple-TV gerade ein Software-Update installierte - ohne mein Wissen. Also zog ich den Stecker.

Das wollen wir doch, oder?

Das Problem ist doch, dass wir - die sogenannten Nutzer - selbst nicht ganz ehrlich zu uns sind, nicht wahr? Denn wir wissen doch, was da passiert - und trotzdem senden wir Signale aus, dass wir eben genau das wollen: überall vernetzt sein.

Ob das nun Smart TV, vernetzte Autos, Smartphones, Armbanduhren oder andere tragbare Elektronik ist - das Ding, das alle "Internet der Dinge" nennen, ist doch genau das, was wir wollen. Jeder Klick und jeder Wisch beweisen es - unsere Verbraucher-Gewohnheiten eben.

Das korrektere Wort dafür wäre eigentlich Internet der Menschen, oder wie es der Philosoph Michael P. Lynch ausdrückt "The Internet of US" - denn WIR füttern es permanent mit Daten.

Im Notfall hilft da eben nur eins: den Stecker ziehen. Kein Unternehmen sollte versuchen, unsere Daten in die Hand zu bekommen - auch wenn ihre Produkte kostenlos sind. Aber auf der anderen Seite zwingt uns ja auch niemand dazu, ihre kostenlosen Service zu nutzen.