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Sanktionen treffen unbeteiligte Firmen

Annika Graf (dpa)25. September 2014

Ölpumpen und Bohrmaschinen dürfen seit Ende Juli nicht mehr nach Russland geliefert werden. Doch unter dem breitgestreuten Embargo leiden auch deutsche Firmen, die nichts mit Erdölförderung zu tun haben.

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Firma Herrenknecht
Bild: picture-alliance/dpa

Die Pumpe ist kaum so groß wie ein Handteller, etwa 30 Gramm bringt sie auf die Waage. Sie ist eigentlich dafür gedacht, Haft-Öl an die Kette einer Motorsäge zu bringen. Ein Verschleißteil, dass der Hersteller Stihl immer mal wieder an seine Kunden liefern muss. Wenn es allerdings um russische Kunden geht, stellt das Stihl seit Ende Juli vor ein Problem. Seitdem die EU ein Embargo über Lieferungen an die russische Ölindustrie verhängt hat, braucht auch die kleine Pumpe eine Genehmigung vom Bundesamt für Ausfuhrkontrolle (Bafa).

Eine Nummer aus Anhang Römisch Zwei

Grund ist die sogenannte Zolltarifnummer, mit deren Hilfe Waren im gemeinsamen Wirtschaftsraum der Europäischen Union sortiert werden. Die Nummer der Ölpumpen von Stihl ist im Anhang II der Verordnung 883 aufgelistet. Mit dessen Hilfe soll verhindert werden, dass Werkzeug zur Erdölexploration nach Russland gelangt. Zwischen Rohren für Öl- oder Gasfernleitungen oder Tiefbohrwerkzeugen sind dort unter der Nummer 841350 auch "Verdrängerpumpen für Flüssigkeiten, mit Motorantrieb" genannt.

Stihl-Vertriebsleiter Joachim Burandt kann nur vermuten, warum ausgerechnet die Mini-Pumpen des Motorsägenherstellers auf die Liste gelangt sind. "Ölpumpen wurden für diese Embargoliste nicht weiter spezifiziert", sagt er. Das gleiche gilt für Stihls Bohrwerkzeuge: Die sind dafür gedacht, circa ein Meter tiefe Löcher zum Beispiel für Weidezäune zu graben - und fallen nun in eine Kategorie mit Bohrwerkzeugen zur Ölförderung. Dieter Knopp, Nutzfahrzeug-Vertriebsleiter bei ZF Lenksysteme, kennt das Problem. Er braucht seit Ende Juli Genehmigungen für Hydraulik-Pumpen von Servolenkungen. "Wohlwissend, dass man damit kein Erdöl fördern kann."

Massenhaft Ausnahmeanträge

Das zuständige Bundesamt für Ausfuhrkontrolle kämpft mit der Flut der Ausnahmeanträge für Russland-Exporte. Wie viele auf den Anhang II der Verordnung fallen, konnte ein Sprecher der Behörde zwar nicht beantworten. Seit Beginn der Sanktionen seien aber alles in allem fünfmal mehr Anträge eingangen als im Vorjahr. In den sechs Wochen zwischen 1. August und 15. September waren es 1400. Für den Anhang II biete die Behörde allerdings Verfahrenserleichterung an, wenn die Produkte nicht den Zweck des Embargos erfüllen, betont der Sprecher.

Doch so einfach, sagt Stihl-Vertriebsleiter Burandt, sei das nicht. Sowohl für die 140 verschiedenen Pumpen, als auch für die Bohrwerkzeuge brauche sein Unternehmen Sonderfreigaben - und zwar für jeden einzelnen der zehn Kunden in Russland. Und: "Es sind erst einmal drei, vier Wochen verstrichen, bis das Bafa die Auslegung des Embargos final entschieden hat." Die Genehmigung selbst dauere in der Regel zwei Wochen. Außerdem ziehe jeder Container, in dem auch nur ein genehmigungspflichtiges Bauteil verpackt sei, einen Besuch des Zolls nach sich. "Das hält die Lieferung tierisch auf." Wer sich nicht daran hält, dem drohen Strafen.

Unsicherer Ausblick

Eine grundsätzliche Freigabe habe ZF Lenksysteme nicht erhalten, sagt auch Vertriebsleiter Knopp. "Das ist kein Hindernis, aber eine Hürde. Und zwar eine ziemlich große." Ein Kunde sei beinahe abgesprungen. Ähnlich problematisch sieht man die Lage beim Hersteller von Tunnelbohrmaschinen Herrenknecht. Der profitiert von einer der wenigen Ausnahmen im Anhang II der Sanktionsverordnung. Trotzdem: "Bei einem Weiterdrehen der Sanktionsspirale durch die EU oder Deutschland stehen für uns allerdings jahrzehntelange Kunden- und Marktbeziehungen in Russland auf dem Spiel", so eine Sprecherin.

Klaus Friedrich, Experte für Exportkontrolle beim VDMA, fordert: "Die Bundesregierung muss die Anwendungspraxis der Sanktionen an die tatsächlichen Sanktionsziele anpassen." Der Anhang II basiere auf breiten Zolltarifnummern und gehe weit über den offiziell formulierten Sanktionszweck hinaus - mit Folgen für die Behörde. Er schätzt, dass im Zusammenhang mit dem Anhang II bis Ende 2014 eine vierstellige Zahl an Exportanträgen beim BAFA auflaufen wird. Stihl-Vertriebsleiter Burandt findet: "Diese Art von Sanktionen ist nicht geeignet, um so einen Konflikt zu lösen." Wirtschaftlich, ist man bei Stihl überzeugt, wird sich der Schaden in Grenzen halten. "Dafür sind die langjährigen Beziehungen nach Russland immer noch zu gut." Bei ZF Lenksysteme ist man sich da nicht so sicher. Vertriebsleiter Knopp: "Die Kunden in Russland werden mit Sicherheit nach Alternativen suchen - vor allem in China."