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Sanktionen und Atomfrage in Irans Blogosphäre

Yalda Kiani30. März 2012

Der Iran wird wegen seiner Atompolitik durch Sanktionen und Drohungen mit einem Präventivschlag in die Zange genommen. Diese angespannte Situation wird auch in der Blogosphäre thematisiert.

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Im Internet cafe in TeheranFoto: ddp/AP)
Bild: AP

Ein Blogger namens "Nahostbürger“ bezeichnet die Sanktionen als "nicht klug“. Sie treffen seiner Meinung nach vor allem die breite Masse im Iran, aber auch den Mittelstand. Auch "M.J.“, ein Blogger aus Teheran, bestätigt diese Sorgen und bekräftigt: “Sanktionen sind wirksam. Ihre Wirkung kann man am besten am gewaltigen wirtschaftlichen Druck auf mein Leben als normaler Bürger ablesen.“

Ein anderer Blogger rechnet vor, dass ein Kilo Lammfleisch vor wenigen Monaten noch umgerechnet zehn Euro kostete, jetzt seien es 16 Euro. Aber das könnten sich ohnehin nicht viele leisten: "Ich kenne viele, die sich nicht einmal ein Kilo Hähnchen für zwei Euro kaufen können.“

Basar in Teheran mit Lammfleisch (Foto: Mehrnews)
Nach den von EU und USA beschlossenen Sanktionen gegen Iran sind die Lebensmittelpreise gestiegenBild: MEHR

Ein User auf dem Kurznachrichtportal Twitter beschreibt die derzeitige Situation im Iran so: “Sanktionen von außen, Zensur im Inland. Wo stehe ich als normaler Bürger im Plan der Weltgemeinschaft?“

Eine Situation wie im Irak?

Zu den verschärften Sanktionen kommen die Drohungen aus Israel und aus den USA, das iranische Atomprogramm notfalls mit militärischer Gewalt zu stoppen. "Nahostbürger“ sieht in der Bedrohung durch das iranische Atomprogramm nur einen Vorwand, um den Iran angreifen zu können. Auch ein Internetnutzer, der in der Nähe der Atomanlage von Natans wohnt, nimmt die Kriegsbedrohung ernst und schreibt unter Anspielung auf den Irak-Krieg der USA: “Politiker entscheiden, Städte werden verwüstet, Menschen sterben. Nach ein paar Jahren erzählt uns die Geschichte, das Ganze sei nur ein Vorwand für einen Krieg gewesen. Die Geschichte wiederholt sich.“

In der iranischen Blogosphäre wird das "unbestreitbaren Recht“ des Landes auf Atomenergie vielfach bekräftigt, und sogar das auf deren militärische Nutzung. Auch der Blogger "Nahostbürger“ vertritt diese Meinung. Er schreibt: “Ich denke, der Iran strebt nach Atomwaffen, um sich vor dem Druck, der von außen ausgeübt wird, zu schützen.“ Und ein anderer Blogger meint: "Durch die Atombombe kann Iran sich mit mehr Selbstbewusstsein dem Konflikt mit den USA und seinen Verbündeten wie Israel stellen.“

Fragwürdige Gleichberechtigung

Es gibt aber auch Skepsis gegenüber diesem "unbestreitbare Recht“. Ein Blogger schreibt etwa: "Jedes Land hat das Recht, im Rahmen internationaler Gesetze das zu erreichen, was andere Länder längst erreicht haben. Damit habe ich kein Problem. Aber wenn der Preis dafür das tägliche Brot der Menschen ist, kann ich das nicht nachvollziehen.“ Die gleiche Stoßrichtung hat der folgende Eintrag eines anderen Bloggers: "Wenn man jemanden vor drei Jahren nach Atomenergie gefragt hat, hätte er gesagt, sie sei unser Recht. Aber je mehr sich die wirtschaftliche Situation verschlechtert, desto wichtiger wird das tägliche Brot der Menschen - und nicht das Atomprogramm.“

Weltweite Aufmerksamkeit hat in jüngster Zeit die von einem Israeli gestartete Facebook-Kampagne unter dem Titel "Israel Loves Iran“ gefunden. Dort werden Liebesbotschaften und Fotos von iranischen und israelischen Usern veröffentlicht, allesamt mit dem Tenor, den Kriegsdrohungen die iranisch-israelische Völkerverständigung entgegenzusetzen. Schon einen Tag nach dem Start der israelischen Kampagne gab es Antworten von Iranern aus der ganzen Welt. "Meine israelischen Freunde, ich hasse euch nicht! Ich will keinen Krieg. Liebe und Frieden." So lauteten viele Beiträge von Iranern auf Facebook. Viele Iraner, die ihre Nachrichten aus dem Iran sendeten, verbargen ihr Gesicht aus Furcht vor Repressionen.

Logo zu Facebook Page "Iran Loves Israel" (Foto: DW)
Iranische Antwort auf israelische Internet-InitiativeBild: Iran loves Israel/Facebook

Allerdings findet der Blogger "M.J.“ aus Teheran diese Aktion nicht ausreichend, um einen Krieg zu verhindern. Zwar könne man dadurch Anzeichen einer wachsenden Kluft zwischen Politikern und Bürgern sehen, dennoch würden die Proteste im Netz die Politiker nicht beeinflussen: "Was haben Iraner gegen Atomwaffen und Kriegsdrohungen gemacht? Ständig in Facebook auf den Like-Button gedrückt!“

Trotzdem: Wenn Hunderten Menschen aus aller Welt auf Facebook der Satz "Krieg? Bitte nicht in meinem Namen“ gefällt, geschrieben von einem israelischen Bürger, dann kann man - wie ein anderer schreibt - "vor Freude tanzen und wieder Hoffnung in die Menschheit haben.“