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SARS-Virus lähmt Wirtschaft

Thomas Kohlmann2. April 2003

Der SARS-Virus breitet sich weiter aus. In keiner Stadt der Welt sind die Auswirkungen der Lungenentzündung SARS so drastisch wie in der Wirtschaftsmetropole Hongkong.

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Nur mit Mundschutz: Alltag auf den Straßen HongkongsBild: AP

Die Krankheit, die sich durch hohes Fieber und Atemnot bemerkbar macht, hat weltweit mittlerweile mehr als 70 Todesopfer gefordert. Die Weltgesundheitsbehörde WHO schätzt, dass sich weltweit mehr als 2000 Menschen angesteckt haben.

Die Folgen sind nicht zu übersehen: Geschäftsreisende in Asien berichten von leeren Flugzeugen, verwaisten Cafés und Restaurants in Hongkong und nur zur Hälfte belegten Hotels, in denen sonst kaum ein Zimmer zu ergattern ist.

Drastische Einbußen

William Belchere, Volkswirt bei JPMorgan Chase, schätzt, dass Hong Kong, dessen Wirtschaftswachstum weitgehend auf den Export ausgelegt ist, pro Monat zwischen 0,2 und 0,5 Prozent seines Bruttoinlandproduktes (BIP) durch den drastischen Rückgang bei Tourismus und privatem Konsum einbüßen könnte.

Über die Auswirkung in China insgesamt gehen die Meinungen auseinander. Obwohl dort die meisten Menschen mit dem Viurs infiziert wurden und auch die meisten Todesfälle auftraten, ist die aktuelle Lage schwer abschätzbar. Bis jetzt liegen der WTO lediglich Zahlen über die Erkrankungen bis Ende Februar vor. Doch wenn sich die Krankheit über die bislang am schlimmsten betroffene Provinz Guangdong hinaus ausweitet, so glaubt Belchere, würde das die chinesische Wirtschaft spürbar treffen.

Zunehmende Stornierungen

Am meisten betroffen sind Fluglinien, Hotels und der Einzelhandel. Schon jetzt treffen in den Rezeptionen pausenlos Stornierungen ein. Im Shangri-La-Hotel wurden fast 1.500 Zimmer-Reservierungen zurückgezogen. Zu den Hauptleidtragenden gehören die Fluglinien Cathay Pacific und China Southern, der Einzelhändler Giordano und die Modeboutiquen von Esprit.

Bei der Lufthansa gehören seit kurzem auf Asienflügen Fieberthermometer, Mundschutz und Einweghandschuhe zur Standardausrüstung. Seit einigen Tagen gehen bei der Kranichlinie die Buchungen für Flüge in den Fernen Osten deutlich zurück. Ein Lufthansa-Sprecher meinte aber am Dienstag (1.4.2003) in Frankfurt, er könne nicht sagen, ob der Rückgang bei den Buchungen durch den Beginn des Irak-Krieges oder durch die Furcht der Reisenden vor der Lungenerkrankung SARS ausgelöst worden sei.

Reduzierte Wachstumsprognosen

Die niederländische Bank ABN Amro reduzierte erst vor kurzem die Erwartungen für das Wirtschaftswachstum in der ehemaligen britischen Kronkolonie. Die Folgen beschreibt Analyst Eddie Wong: "Hier geht es nicht bloß um den Einzelhandel oder Touristenzahlen. Schlimm wird es erst, wenn Geschäftsreisende Hongkong meiden und – noch schlimmer, wenn SARS ins Delta des Perlenflusses vordringt: Dort liegen die meisten Fabriken, dort ist das wirtschaftliche Rückgrat Hongkongs."

Zwar senkten die ABN-Amro-Banker ihre Erwartungen für das Wirtschaftswachstum in Hongkong für dieses Jahr von vier auf 3,5 Prozent. Dafür hoben Wong und seine Kollegen die Aussichten für das kommende Jahr von 4,5 auf 5 Prozent an – unter der Voraussetzung, dass die Krankheit in den nächsten Wochen unter Kontrolle sein wird.

Zahlreiche Fabrikschließungen

Doch bereits jetzt fragen sich die Anleger, welche Auswirkungen SARS auf die High-Tech-Unternehmen haben wird, die in der Region produzieren. In Singapur schloss die weltweite Nummer Zwei der Handy-Produzenten Motorola am Wochenende seine Fabrik. Hewlett Packard wies seine Angestellten in Hongkong an, ab sofort von zu Hause aus zu arbeiten. Microsoft stellte es seinen Mitarbeitern frei, ob sie zu Hause arbeiten wollten. Und Chip-Gigant Intel schloss Teile seiner Niederlassung in Hongkong und schickte jeden Dritten seiner Beschäftigten nach Hause.

SARS ist aber nicht nur für Asien ein Problem. Denn im Hochtechnologiesektor sind Hongkong, Singapur und Taiwan nur die verlängerten Werkbänke der US-Branchengrößen. Müssen weitere Produktionsstätten wegen SARS dichtgemacht werden, wird das auch an der US-Wirtschaft nicht spurlos vorübergehen.