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Schätze aus der Wüste: Gute Vorsätze

18. Mai 2013

Gute Vorsätze einhalten, ist lobenswert. Es sei denn, das Leben kommt dazwischen und hat etwas ganz anderes mit mir vor. Dies meint Hildegard König von der katholischen Kirche – in Anlehnung an einen alten Wüstenvater.

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ARCHIV - Eine junge Pflegekraft hält am 29.11.2012 die Hände einer alten und demenzkranken Frau in einem Pflegeheim in Frankfurt (Oder) (Brandenburg). Die Bundesregierung will am 14.05.2013 bei ihrem zweiten Demografiegipfel über die Herausforderungen einer alternden Gesellschaft beraten. Foto: Patrick Pleul/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Zweiter Demografiegipfel der Bundesregierung SymbolbildBild: picture-alliance/dpa

Es ist mal wieder nichts aus den guten Vorsätzen geworden.

Ich wollte Ordnung in mein Arbeitzimmer bringen und die Stapel unerledigter Sachen abarbeiten. Das hatte ich mir fest vorgenommen. Nichts und niemand sollte mich davon abhalten. Da klingelte es an der Türe. Draußen stand eine Nachbarin, blass und mit Tränen in den Augen. Ich bat sie herein. Sie erzählte vom Arztbesuch und vom Befund, den man ihr mitgeteilt hatte. Jetzt wusste sie nicht ein und aus, war in ihrer Not allein und brauchte jemanden zum Reden. Wir tranken Tee miteinander. Wir gingen eine Runde spazieren. Wir überlegten uns die nächsten Schritte, suchten im Internet nach Unterstützung.

Stunden später stand ich wieder in meinem Arbeitszimmer: Chaos hier wie in meinem Herzen – alles lag ausgebreitet herum, nichts erledigt, nur ich selbst war ganz fix und fertig. Wie sollte ich jetzt noch das große Aufräumen zu Ende bringen, das ich mir vorgenommen hatte? Verdrossen begann ich die Stapel, die ich vorsortiert hatte, wieder zusammen zu schieben. Irgendwann müsste ich sie mir wieder vornehmen. Da fiel mir eine kleine Geschichte in die Hände.

Sie erzählt von einem alten Asketen, einem Einsiedler, der vor vielen Jahrhunderten in der ägyptischen Wüste sein Leben zubrachte. Er war einer von den Menschen, die damals das Leben in den Städten und die Bequemlichkeiten der Zivilisation hinter sich ließen, um in der Wildnis zu leben. Dort wollten sie, auf sich selbst geworfen, hinter sich selbst zu kommen und an das Geheimnis zu rühren, das ihrem Leben zugrunde lag. Dieser alte Asket also war für sein Durchhaltvermögen beim Fasten bekannt. Wenn er sich vornahm zu fasten, dann fastete er, streng und konsequent.

Eines Tages kam einer während seiner Fastenzeit zu ihm zu Besuch. Da bereitete der Einsiedler freudig ein Essen zu, und aß es zusammen mit seinem Besucher. Dieser wunderte sich nicht wenig über das Essen, denn er wusste, wie konsequent sein Gastgeber seine Fastenvorsätze einhielt. Die Antwort, die er bekam, war bemerkenswert und sie berührte mich sehr, als ich sie las, mitten in meinem Chaos:

Das Fasten,erklärte der Einsiedler, hat sehr wohl seinen Lohn. Wer aber aus Liebe isst, der erfüllt zwei Gebote: Er versagt sich seinen eigenen Willen und er erquickt seinen Bruder.

Ich hörte die Worte des Alten so, als hätte er sie an mich gerichtet und gesagt: Nichts gegen deinen guten Vorsätze, Ordnung zu schaffen. Die haben ihre Berechtigung. Aber heute hatten deine Vorsätze hinter das Leben zurück zu treten, und das hatte eben Besseres mit Dir vor: Es schenkte dir einen Menschen und mit ihm die Einsicht, wie zerbrechlich unsere eigenen Pläne sind; und es schenkte dir die Gelegenheit, einem Menschen nahe zu sein.

Das nehme ich mit in meinen Alltag, und vielleicht passt es auch für Sie, je nachdem, was Sie heute oder morgen vorhaben: Räum Deinen Schreibtisch auf, bring deine Sachen in Ordnung, tu deine Pflicht und was du dafür hältst. Aber halte die Augen und die Ohren offen, und die Tür und das Herz. Und nehme in jedem Augenblick mit Freude an, was das Leben Dir schenkt. Und wenn eine oder einer deine guten Vorsätze durchkreuzt: Esst etwas zusammen und lasst es euch schmecken!

Zur Autorin: Prof. Dr. Hildegard König hat in Tübingen katholische Theologie und Germanistik studiert, Habilitation für das Fach „Alte Kirchengeschichte und Patristik“ in Bonn. Nach einem Studienaufenthalt in Rom lehrte sie an den Universitäten Luzern, Frankfurt, Tübingen und an der RWTH Aachen. Nach einer Gastprofessur an der LMU München arbeitet sie seit 2011 als Professorin für Kirchengeschichte an der Technischen Universität Dresden. Darüber hinaus ist sie als freie Dozentin tätig.

Prof. Dr. Hildegard König, Chemnitz Titel: Prof. Dr. Hildegard König, Chemnitz Schlagworte: Hildegard König, Wort zum Sonntag, Wer hat das Bild gemacht?: Hildegard König Hildegard König, Wort zum Sonntag,
Prof. Dr. Hildegard König, ChemnitzBild: Hildegard König