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Schäuble spricht sich für Steuersenkungen aus

20. November 2009

Bundesfinanzminister Schäuble verteidigt erstmals den Plan der neuen Bundesregierung, Steuern zu senken. Außerdem ist für ihn die Finanzkrise noch längst nicht beendet. Deutsche Bank-Chef Ackermann sieht dies anders.

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Schäuble im Portrait (Foto: AP)
Wolfgang Schäuble findet Steuersenkungen plötzlich doch gutBild: AP

Union und FDP haben in ihrem Koalitionsvertrag Steuerentlastungen geplant. Bislang sah Bundesfinanzminister Schäuble keinen Spielraum, die Entlastung zu realisieren. Die Freidemokraten waren in den vergangenen Wochen verärgert, weil der neue Finanzminister Wolfgang Schäuble wiederholt gesagt hat, es sei "für eine große Steuerreform kein Geld da". Damit stand Schäuble auch im Widerspruch zur Bundeskanzlerin, die in ihrer Regierungserklärung weitere Steuersenkungen für 2011 in Aussicht stellte und dabei sogar die FDP-Formulierung übernahm, ein neues Steuersystem müsse "einfach, niedrig und gerecht" sein.

Auf dem europäischen Bankenkongress in Frankfurt verteidigt Schäuble am Freitag (20.11.2009) zum ersten Mal die Steuersenkungen: "Eine wachstumsorientierte Steuerpolitik spielt eine wichtige Rolle" sagte er auf dem Treffen der europäischen Spitzenbanker. Schäuble stellt klar: Die Wirtschafts- und Finanzkrise sei noch nicht vorüber. Die Lage habe sich in den vergangenen Monaten zwar verbessert. "Wir sind aber noch ein gutes Stück von einem selbsttragenden Aufschwung entfernt", sagte der neue Finanzminister in Frankfurt. Deshalb sei es für einen "Ausstieg aus den öffentlich finanzierten Stabilisierungsmaßnahmen noch zu früh" und warb für die Politik der neuen Bundesregierung.

Schäuble will Bankgeschäfte schärfer kontrollieren

Die Skyline von Frankfurt mit einem Flugzeug (Foto: AP)
Die internationale Bankenbranche trifft sich zu ihrem Kongress in FrankfurtBild: AP

Zudem kündigte Wolfgang Schäuble an, dass die Banken nach der Wirtschaftskrise mit einer verschärfteren Kontrolle ihrer Geschäfte von Seiten der Politik rechnen müssen. Er hat die Banker zu einer Rückkehr zu althergebrachten Werten aufgefordert. "Sie müssen die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft leben, vorleben, wieder beleben", sagte Schäuble auf dem Bankenkongress. "Die großen Bankiers der letzten Jahrhunderte verdanken ihre teilweise bis heute anhaltende moralische Strahlkraft zu einem Gutteil der Tatsache, dass sie sich Gedanken über den eigenen Tellerrand hinaus gemacht haben." Schäuble mahnte die Banker, sie sollten mit dem Staat kooperieren. "Niemand sollte etwa dem Verdacht Nahrung geben, vorübergehende Einschränkungen für Vergütungsregelungen könnten Motiv sein, sachlich gebotene Schritte zur Stabilisierung des Finanzsektors zu unterlassen."

Etliche Bankchefs weigern sich bislang, Staatshilfe anzunehmen. "Niemand kann die Vorstellung haben, am Ende könne alles so bleiben wie vor der Krise", sagte Schäuble. Er stellte klar, dass die Eigenkapitalanforderungen steigen werden. Der Staat werde den Bankern verstärkt auf die Finger schauen und gegebenenfalls eingreifen. Vor der Einführung der neuen Regeln müsse sich aber die Wirtschaft erholen. "Nur sollte niemand auf Zeit spielen, in der Hoffnung, schärfere Regeln würden gar nicht mehr kommen", sagte Schäuble. "Sie werden kommen."

Auch Trichet redet Bankern ins Gewissen

Trichet vor dem Logo der EZB (Foto: dpa)
Redet den Bankern ins Gewissen: Jean-Claude TrichetBild: picture alliance/dpa

Schäubles Drohungen an den Finanzmarkt unterstrich auch Jean-Claude Trichet, der Präsident der Europäischen Zentralbank. Er hat Banken und Finanzinstitutionen ebenfalls ins Gewissen geredet: "Der Finanzsektor darf nicht vergessen, dass er der Realwirtschaft zu dienen hat und nicht umgekehrt." Die 330 Millionen Bürger in der Eurozone würden einen Rückfall der Finanzindustrie in riskante Geschäfte auf Kosten der Steuerzahler nicht hinnehmen. Das Finanzsystem müsse deshalb seine Zukunft "verantwortlich und nachhaltig" sichern. "Es ist sicherlich zu früh, die Krise für beendet zu erklären", sagte Europas oberster Währungshüter in Anspielung auf das Motto des Kongresses: "After the Crisis" ("Nach der Krise"). Vielmehr müsse das Motto als Appell verstanden werden, nach vorne zu schauen und die Lehren aus den vergangenen zwei Jahren zu ziehen.

Der EZB-Präsident verglich die aktuelle Lage des Finanzsystems mit einem genesenden Patienten, dem beim Ausbruch einer Krankheit starke Medikamente und Schmerzmittel verabreicht worden waren. Würden diese Medikamente über einen längeren Zeitraum verabreicht, führe das zur Abhängigkeit, warnte Trichet. "Zu guter Letzt muss die Verabreichung von Schmerzmitteln gestoppt werden, wenn die Patienten wieder auf ihre eigenen Beinen gestellt werden sollen", sagte er. Das Finanzsystem müsse nun sicherstellen, dass die EZB ihre Hilfe drosseln könne, ohne dass es dabei "Entzugserscheinungen gebe. "

Ackermann fürchtet zu starke Regulierung

Josef Ackermann posiert mit dem Logo der Deutschen Bank (Foto: AP)
Joseph Ackermann fürchtet zu viel Kontrolle für die BankbrancheBild: AP

Ganz und gar nicht einverstanden mit der vehementen Banker-Schelte der Politiker zeigte sich Joseph Ackermann, der Chef der Deutschen Bank. Er wehrt sich gegen eine starke Regulierung der Finanzbranche. "Gerade in einer Phase fragiler Wirtschaftsentwicklung muss man auch den Preis sehen, wenn man zu weit gehen würde", sagte der Schweizer auf dem Kongress in Frankfurt. Dies könnte die Finanzierung der Wirtschaft stark beeinträchtigen. Klar sei, dass die Banken als Puffer mehr Eigenkapital vorhalten müssten. Die Frage sei aber, wieviel genau nötig sei. Hier müssten Kosten-Nutzen-Überlegungen eine Rolle spielen. Er machte deutlich, dass die mittelfristig angepeilte Eigenkapitalrendite kein Wert an sich sei.

Ziel sei es, zu den besten Banken der Welt zu gehören. "Wenn für alle Marktteilnehmer andere Voraussetzungen gelten, ändert sich womöglich die Messlatte für die Besten", sagte der Top-Banker, der auch Präsident der Internationalen Bankenvereinigung IIF ist. Die Regierungen der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer wollen die Eigenkapitalvorschriften für die Finanzindustrie ab 2011 verschärfen. Die Institute müssen künftig mehr und qualitativ höherwertiges Eigenkapital vorhalten.

"Naiv zu glauben, dass es nie mehr eine Krise gibt"

Ein Logo der Krisenbank Hypo Real Estate (Foto: AP)
Mit mehreren Milliarden musste der deutsche Staat die Hypo Real Estate vor dem wirtschaftlichen Kollaps bewahrenBild: picture alliance/dpa

Nach Einschätzung von Ackermann dürfen die künftigen Regeln nicht über das Ziel einer besseren Risikokontrolle hinausschießen. "So viel Regulierung wie nötig, um die Stabilität des Finanzsystems ausreichend zu stärken, ohne es aber zu strangulieren", betonte er. Ein gewisses Risiko müsse man in Kauf nehmen. "Es ist daher naiv zu glauben, dass es nie mehr eine Krise geben wird." Er sieht im nächsten Jahr weitere Belastungen auf die Bankenbranche zukommen. "2010 wird ein weiteres Jahr, in dem wir mit vielen Herausforderungen zu tun haben werden." Die Wirtschaftskrise werde sich auf die Kreditbücher auswirken. Doch Ackermann sieht auch Positives auf den internationalen Finanzmärkten. Für ihn ist klar: Die Welt habe das Schlimmste der Finanzkrise hinter sich. Mit dieser Einschätzung stellte er sich gegen Schäuble und Trichet. Denn die Politik ist überzeugt: Die Krise ist noch längst nicht überwunden.

Autor: Marcus Bölz (mit dpa, AP)
Redaktion: Anna Kuhn-Osius

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