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Schüsse in Beirut und Tripoli

21. Oktober 2012

Auch nach der Trauerkundgebung für den getöteten Geheimdienstgeneral al-Hassan kommt der Libanon nicht zur Ruhe. In der Nacht kam es in Beirut und Tripoli zu Feuergefechten. Die Angst vor einem neuen Bürgerkrieg wächst.

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Vermummte Demonstranten in Beirut (Foto: afp)
Libanon Beirut AusschreitungenBild: AFP/Getty Images

Mit Gewehren und Panzerfäusten hätten Bewaffnete im Süden der Hauptstadt aufeinander geschossen, verlautete aus Sicherheitskreisen. Krankenwagen rasten zum Ort des Geschehens. Nach örtlichen Medienberichten handelte es sich um Feuergefechte zwischen Anhängern des sunnitischen Oppositionschefs Saad Hariri und rivalisierende Gruppen. Auch in der nördlichen Hafenstadt Tripoli lieferten sich Unterstützer und Gegner des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad Schusswechsel. Dabei soll nach einem Bericht des arabischen Nachrichtensenders Al-Dschasira eine Frau getötet worden sein, mehrere Menschen wurden verletzt.

Am Sonntag hatten Tausende Libanesen dem bei einem Bombenanschlag getöteten einst mächtigen Chef des Polizeigeheimdienstes, Wissam al-Hassan, bei der öffentlichen Trauerkundgebung in Beirut zunächst friedlich das letzte Geleit gegeben. Die am Platz der Märtyrer in der Innenstadt versammelten Demonstranten warfen der eigenen Regierung zu enge Beziehungen zum Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad vor. Viele beschuldigten auf Plakaten Syrien, hinter dem Anschlag vom Freitag zu stecken, dem neben dem 47-jährigen al-Hassan sieben weitere Menschen zum Opfer gefallen waren.

Lage droht zu eskalieren

Trotz scharfer Sicherheitsvorkehrungen drohte die Lage dann außer Kontrolle zu geraten. Hunderte Demonstranten versuchten nach der Beisetzung al-Hassans in der Al-Amin-Moschee am Rande des Märtyrer-Platzes, den nahegelegenen Regierungssitz zu stürmen. Die Polizei feuerte in die Luft und setzte Tränengas ein, um die Demonstranten aufzuhalten. Mehrere Menschen sollen verletzt worden sein.

Libanon: Wut und Trauer in Beirut

Proteste in mehreren Städten

Die anti-syrische Opposition nutzt die Trauer um den ermordeten Geheimdienstchef al-Hassan. Seit Freitag gab es im Libanon vielerorts Demonstrationen gegen die Regierung. Vor allem die Sunniten sind in Aufruhr. Denn al-Hassan gehörte zu den sunnitischen Muslimen. Er stand der mehrheitlich sunnitischen Oppositionsbewegung "14. März" von Saad Hariri nahe.

Der Oppositionsführer ist der Sohn des 2005 getöteten Ministerpräsidenten Rafik Hariri. Ihr Feind ist Syrien - das Land, das sich einst als Schutzmacht aufgespielt hatte und dessen Soldaten nach dem Hariri-Attentat aus dem Libanon vertrieben wurden. Viele warfen Syrien damals eine Mittäterschaft vor. Für die Bewegung "14. März" ist nun auch nach diesem Anschlag klar: Die Verantwortlichen sitzen wieder einmal in Damaskus.

Demonstranten in Beirut - auf dem Plakat der ermordete al-Hassan (Foto: reuters)
Demonstranten in Beirut - auf dem Plakat der ermordete al-HassanBild: Reuters

Einiges spricht für diese Einschätzung: Al-Hassan stand nicht nur der Bewegung "14. März" sehr nahe. Er soll jüngst auch ein Komplott aufgedeckt haben, dessen Ziel es war, Syrien-kritische Libanesen zu töten. Auch der Ort des Anschlags am Freitag könnte ein Hinweis dafür sein: Nicht weit entfernt ist das Büro der "14.-März-Bewegung".

Feinde auch im Inneren

Doch auch im Libanon selbst gibt es viele ungelöste Konflikte, die in den vergangenen Jahren unter einer dünnen Schicht scheinbarer Normalität verdeckt wurden. Grund sind die vielen unterschiedlichen religiösen Gruppen im Land, die die Macht nach einem komplizierten Proporzsystem untereinander aufgeteilt haben.

Der Präsident ist immer maronitischer Christ, der Ministerpräsident Sunnit, der Parlamentspräsident Schiit. Vor allem die Schiiten finden das ungerecht, dürften sie doch inzwischen zahlenmäßig die Mehrheit der libanesischen Bevölkerung stellen.

Angehörige und Staatsspitze bei der Trauerfeier für al-Hassan (Foto: reuters)
Noch friedlich - der erste Teil der TrauerfeierBild: Reuters

Die schiitische Hisbollah ist derzeit zwar de facto an der Macht - doch sind die Schiiten geschwächt. Der Arabische Frühling hat vor allem den Sunniten in der Region Rückenwind gegeben und der wichtige Verbündete Assad kämpft ums Überleben. Dass die Schiiten überhaupt die Möglichkeit hatten, in Beirut mitzuregieren, liegt an einem Bündnis mit einer weiteren religiösen Gruppe im Libanon, den Drusen. Die einflussreiche islamische Sekte ist das Zünglein an der Waage in einem zutiefst gespaltenen Land. Die Anhänger von Drusen-Führer Walid Dschumblatt hatten noch 2011 den Hisbollah-Block unterstützt. Inzwischen nähern sie sich wieder der anti-syrischen Bewegung von Saad Hariri an. Drusenführer Dschumblatt gehört zu den schärfsten Kritikern des Assad-Regimes.

gmf/qu/kis (afp, dpa, dapd, rtr)