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Schafft Trump neue Mexiko-Flüchtlinge?

Andreas Knobloch
5. Januar 2017

Der Umgang mit Mexiko könnte Donald Trump ziemlich schnell auf die Füße fallen. Denn er würgt die ohnehin schwächelnde Wirtschaft in Mexiko ab - und erhöht den Migrationsdruck, berichtet Andreas Knobloch aus Mexiko.

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Mexiko Proteste gegen erhöhte Benzinpreise
Bild: picture-alliance/dpa/El Universal via ZUMA Wire

Es ist wie ein Eimer kaltes Wasser ins Gesicht der mexikanischen Regierung und ein Vorgeschmack auf das, was ein äußerst schwieriges Jahr für Mexiko werden könnte. Noch vor seinem offiziellen Amtsantritt am 20. Januar scheinen die Drohgebärden des neugewählten US-Präsidenten Donald Trump Wirkung zu zeigen. Der US-Autobauer Ford hat diese Woche angekündigt, auf geplante Investitionen in Mexiko in Höhe von 1,6 Milliarden US-Dollar zu verzichten und stattdessen 700 Millionen US-Dollar in die Produktion von Elektroautos in Flat Rock, Michigan, zu stecken.

Erst im April - mitten im US-Wahlkampf - hatte Ford die nun zurückgezogene Investition verkündet. Die Ansage wirkte damals wie eine Herausforderung gegenüber den protektionistischen Plänen von Trump. Dieser hatte die US-Autobauer im Wahlkampf scharf angegriffen. Es sei "beschämend", dass Traditionsunternehmen Produktion und Arbeitsplätze ins Ausland verlagerten.

Ford wollte für 1,6 Milliarden US-Dollar eine neues Werk im nordmexikanischen San Luís Potosí errichten. Dort sollten nach der geplanten Fertigstellung im Jahr 2020 die Kleinwagenmodelle Ford Fiesta, Ford C-Max und Ford Focus vom Band laufen und 2.800 neue Arbeitsplätze entstehen. Der Ford Focus soll weiterhin in Mexiko gefertigt werden, allerdings in dem bereits bestehenden Werk in Hermosillo, Sonora. Derzeit wird der Ford Focus noch in Wayne, Michigan, zusammengeschraubt. Insgesamt betreibt Ford in Mexiko zwei Fertigungsanlagen sowie ein Motorenwerk.

Vertrauensvorschuss?

Ford-Vorstandschef Mark Fields erklärte auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz, der Rückzug aus San Luís geschehe hauptsächlich wegen des "dramatischen Rückgangs der Nachfrage an Kleinwagen in Nordamerika". Es habe keinen Deal mit Trump gegeben. Jedoch erwarte er unter Trump günstigere Geschäftsbedingungen in den USA selbst, sagte Fields und versuchte die Entscheidung des Konzerns gegenüber dem US-Fernsehsender CNN als "Vertrauensvorschuss" für den neuen US-Präsidenten zu verkaufen.

In Mexiko dagegen bedauerte die Regierung Enrique Peña Nieto den Rückzug von Ford. Bereits geflossene Investitionsanreize müsse der US-Konzern zurückzahlen, hieß es in einer Stellungnahme des mexikanischen Wirtschaftsministeriums. "Die in Mexiko geschaffenen Arbeitsplätze haben dazu beigetragen, Arbeitsplätze in der Fertigung in den USA zu erhalten, die ansonsten angesichts der Wettbewerber aus Asien verschwunden wären."

Die Ankündigung von Ford kommt zu einem ungünstigen Moment für die Regierung in Mexiko-Stadt, die sich aufgrund der Benzin- und Gaspreiserhöhungen zum Jahreswechsel massiven landesweiten Protesten gegenüber sieht. Fords Rückzug ist zudem ein erster schwerer Schlag gegen einen strategischen Bereich der mexikanischen Wirtschaft. Der Automobilsektor ist einer der wichtigsten Wirtschaftsbereiche Mexikos. Er beschäftigt 900.000 Menschen direkt und macht 3,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus.

Enttäuschung in Mexiko nach Aus für Ford-Werk

Schlüsselindustrie betroffen

Ein bedeutender Teil der US-Autoproduktion ist heute nach Mexiko ausgelagert, ein Drittel der Autoimporte in die USA kommt aus Mexiko. Aber auch für deutsche Autobauer wie VW, BMW, Audi oder Daimler ist Mexiko zu einem wichtigen Produktionsstandort geworden. Audi und Daimler (gemeinsam mit Nissan) bauen neue Werke in Mexiko. Laut der Beraterfirma Roland Berger haben internationale Autokonzerne bis 2020 Investitionsprojekte in Mexiko im Volumen von rund 17 Milliarden US-Dollar angekündigt. Mittlerweile ist Mexiko zum siebtgrößten Autobauer und viertgrößten Autoexporteur der Welt aufgestiegen.

Nicht zuletzt wegen des Freihandelsabkommens NAFTA aus dem Jahr 1994 haben sich viele Autokonzerne und andere Hersteller südlich des Rio Bravo angesiedelt, wo sie für den US-Markt produzieren. Die Volkswirtschaften der USA und Mexikos sind eng verwoben. Die USA sind heute Mexikos wichtigster Handelspartner und Investor; der mexikanische Exportsektor wiederum produziert zu rund drei Viertel für den US-amerikanischen Markt. Mit seiner Drohung von Einfuhrzöllen greift Trump die nordamerikanische Freihandelszone NAFTA im Kern an.

Kapitalflucht und Migration

Der Rückzug von Ford könnte den Auftakt zu einem massiven Abzug ausländischen Kapitals aus Mexiko darstellen und die ohnehin schwächelnde mexikanische Wirtschaft weiter unter Druck setzen. "Die Gefahr ist, dass andere Unternehmen dasselbe machen", so Gabriela Siller, Finanzexpertin der Banco BASE, gegenüber der spanischen Tageszeitung El País. "Wir glauben nicht, dass es bei einem einzelnen Fall bleibt." Tatsächlich hatte vor Ford bereits der Klimaanlagenhersteller Carrier erklärt, auf die geplante Verlegung eines Teils der Produktion aus Indiana nach Mexiko zu verzichten.

Eine Kündigung oder Neuverhandlung von NAFTA könnte aber auch Auswirkungen auf die internationalen Autokonzerne haben, für die Mexiko mit Blick auf den US-Markt als Standort äußerst interessant ist. Hinzu kommen qualifizierte, günstige Arbeitnehmer und erfahrene Zulieferer. Sollte Trump aber all seine Drohungen wahr machen, könnten viele Mexikaner ihre Arbeit verlieren. Eine Wirtschaftskrise aber könnte zur Migrationskrise werden. Trumps Drohgebärden würden ihm dann irgendwann auf die Füße fallen.