1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Schau mir in die Augen, Kleines!"

Götz Gerson / arn8. August 2002

Nur in Deutschland, Italien und Spanien ist es üblich, so gut wie alle ausländischen Spielfilme zu synchronisieren. Das ist mühevolle Kleinarbeit für die Profis der Branche: Schauspieler, Sprecher und Dialogbuchautoren.

https://p.dw.com/p/2XKV
Filmzitate werden zu geflügelten WortenBild: AP

Take für Take, also Schnipsel für Schnipsel und streng im Sinnzusammenhang, werden Filme synchronisiert - pro Spielfilm sind das durchschnittlich tausend Stückchen. Dem voran geht eine Rohübersetzung des Originaltextes. Ein Filmübersetzer bastelt mit dem Originaltext als Grundlage möglichst wortgetreue Adaptionen. Mit dieser Rohübersetzung wird dann am Schneidetisch die lippensynchrone Fassung erarbeitet.

Sprach-Akrobatik

Autorin Marianne Groß - sie ist unter anderem die deutsche Stimme von Cher und Maryl Streep - hat jahrelange Erfahrung. "Nehmen wir 'Donnez-moi ces papiers.' Bei 'donnez' ist der Mund offen. Aber ich müsste 'geben' sagen, da ist der Mund ja zu in der Mitte. Also muss ich den Satz umstellen, so lange, bis es auf den Mund passt", erklärt sie die sprachliche Bastelarbeit.

Radiostudio
Bild: AP

Die Darsteller üben dann im Studio, ob sie mit ihrer Stimme "auf dem Original liegen", dann folgt die Aufnahme. Es ist aber nicht jedermanns Sache, sich den Schauspielern auf der Leinwand unterzuordnen. "Es ist ein sehr absurder Schaffensprozess. Welcher Schauspieler möchte sich schon seines Persönlichsten entäußern - seiner Stimme", verweist Lutz Riedel, selbst Schauspieler und Synchronsprecher, auf die Eigenheiten des Metiers.

Für jede Situation die richtige Stimme

Viele Schauspieler finden es reizvoll, nicht nur ihre Leinwandkollegen, sondern auch Zeichentrickfiguren zu sprechen. Mario Adorf leiht zum Beispiel dem Esel in Die furchtlosen Vier seine Stimme. Das Faultier Sid aus Ice Age spricht mit der Stimme von Otto Waalkes zu den Kinogängern.

Wenn peppig perfekte Persiflagen gefragt sind, tritt Rainer Brandt auf den Plan. Er ist die Schnodderschnauze vom Dienst - die Stimme von Tony Curtis und Jack Belmondo. Manchmal ist er die letzte Rettung für miese Filme. Die Serie "Die Zwei" aus den 1970er Jahren war im Mutterland England ein Flop - aber in Deutschland wegen seiner Sprüche ein riesiger Erfolg. "Von der Berliner Stadtreinigung kenne ich ein paar Jungs, die haben Sprüche drauf, da wird einem der Schuh schmal ...", erinnert sich Rainer Brandt an seine Recherchen an der Basis.

Geld verdienen mit Synchronisation

Soundmixer, Mischpult
Bild: AP

Die meisten Kinofilme werden in Berlin eingedeutscht, weil hier dank der vielen Bühnen der Stadt das Reservoir an Stimmen riesig ist. Für viele Schauspieler ist die Arbeit im Synchronstudio die einzige Möglichkeit, regelmäßig Geld zu verdienen - und Routiniers sahnen kräftig ab. Sie schaffen 300 Takes am Tag, das ist ein knappes Drittel eines Spielfilms. Die Grundgage eines Sprechers bewegt sich, je nach Renomée und Qualifikation, zwischen 25 und 75 Euro pro Tag. Dazu kommt ein fester Satz pro Take, manchmal gibt es auch feste Tagesgagen.

Die Synchronisation ist aus dem Gesamtbild der Filmindustrie nicht mehr wegzudenken. Nur - im Abspann der Filme werden die Synchronsprecher nie genannt. Joachim Kerzel, die deutsche Stimme Jack Nicholsons, ist missmutig. "Wir sind selber dran schuld, wir sind nicht organisiert. Jeder kämpft für sich selbst und die machen mit uns, was sie wollen. Wir geben unsere Rechte ab für alle Zeiten, für alle noch zu erfindenden Medien, auf allen noch zu findenden Planeten."