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Scherbenhaufen der Bush-Politik

5. Oktober 2004

Millionen US-Amerikaner leben im Ausland. Ihre Stimmen könnten die Präsidentschaftswahlen entscheiden. Denn sie erleben die Folgen der US-Außenpolitik aus erster Hand, schreibt der US-Journalist Marc Young.

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Ähnlich knapp wie vor vier Jahren könnte das Rennen der beiden Präsidentschaftskandidaten auch bei der Wahl im November ausgehen. Die amerikanischen Wähler sind ebenso polarisiert, doch inzwischen hat sich die politische Agenda radikal geändert. Es geht nicht mehr vorrangig um innenpolitische Fragen, sondern um Amerikas Rolle in der Welt: Der Krieg im Irak und der Kampf gegen Terrorismus sind die Top-Themen des US-Wahlkampfs.

Bush sieht sich als "Kriegs-Präsident"

Die Bush-Administration hat mit der traditionellen Linie der Konservativen gebrochen, keine Präventiv-Kriege zu führen. Doch der Weg in den Unilateralismus begann schon lange vor dem Irak-Krieg. Zum Ärger vieler Staaten unterzeichnete Washington das Kyoto-Protokoll zur Reduzierung der Treibhausgase nicht, wies die Bio-Waffen-Konvention zurück und wollte auch dem Internationalen Strafgerichtshof nicht anerkennen.

Punkt für Punkt lässt sich diskutieren, ob das richtige oder falsche Entscheidungen für die USA waren. Im Ganzen aber haben diese Alleingänge einen noch nicht absehbaren Schaden verursacht.

Sympathie schwindet

Das kanadische Meinungsforschungsinstitut Globescan befragte 34.000 Menschen in 35 Ländern, wer der nächste US-Präsident werden soll. In 30 Ländern stimmten die Befragten für John Kerry. In Deutschland waren sogar 74 Prozent der Befragten für Kerry. Nur zehn Prozent der Deutschen hoffen auf Bushs Wiederwahl. In den USA selbst liegt jedoch Bush derzeit in Umfragen vorn. Wie kommt es zu dieser Diskrepanz?

Bisher haben die meisten Amerikaner nichts von der starken Antipathie gegen Bush und seine Politik gespürt. Auslands-Amerikaner können diese Ressentiments allerdings Tag für Tag wahrnehmen. Auch das wachsende Spektrum von Antiamerikanismus, den Washingtons Arroganz überall in der Welt gefördert hat, ist zu Hause in den USA nicht erfahrbar.

Antiamerikanismus wächst


Wie viele andere Amerikaner, die in Europa leben, habe ich den Atem angehalten, als die alten Verbündeten Frankreich und Deutschland als Verräter gebrandmarkt wurden, weil sie nicht mit Bush in den Irak-Krieg ziehen wollten. Es gibt unzählige andere Beispiele, wie die Bush-Regierung die Welt gegen sich aufgebracht hat. Das Schlimmste daran: Dieses Verhalten hat Amerikas Ansehen ernsthaft beschädigt.

In Deutschland werben die Linken, die Rechten und die Globalisierungsgegner mit ihren jeweiligen Formen von Anti-Amerikanismus. Mitten in der Berliner City verzieht niemand eine Miene, wenn eine US-Flagge falsch herum hängt und der Schriftzug "Gegen Amerika" darauf zu lesen ist. Es ist angesagt, gegen die Vereinigten Staaten zu sein.

Moralischer Bankrott

Selbst wenn die USA Fortschritte im Kampf gegen Terrorismus machen; das Risiko einer zweiten Amtszeit von George W. Bush liegt darin, dass Amerika nach und nach die moralische Unterstützung der Weltgemeinschaft verliert. Für viele Auslands-Amerikaner ist diese Gefahr klar zu sehen.

Deshalb machen John Kerrys Ankündigungen, zu multilateralen Methoden zurückzukehren, Mut. Denn trotz ihrer beispiellosen militärischen und ökonomischen Macht brauchen die Amerikaner auch weiterhin Unterstützung von ihren Freunden und Alliierten. Die meisten von ihnen erwarten gar nicht, dass die USA sie als Partner akzeptieren. Was sie allerdings erwarten, ist ein gewisses Maß an Respekt.

Marc Young ist aus Kalifornien und arbeitet in Berlin als freier Journalist unter anderem für DW-WORLD.DE.