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Schiri-Pfeifen als Verkaufsschlager

Sebastian Schubert10. Oktober 2005

Ein mittelständisches Unternehmen aus Rheinland-Pfalz liefert weltweit von der Schiedsrichter-Pfeife über die Eckfahne bis zur roten Karte alles, was man außer 22 Mann noch für ein WM-Spiel braucht.

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Deutschland im WM-FieberBild: dpa

Wenn am Freitag, dem 9. Juni 2006, um 18 Uhr die erste WM-Partie beginnt, dann wird Winfried Baaser nicht nur feuchte Hände haben, sondern auch mehr Geld im Portemonnaie. Für den Sportartikelfabrikanten aus der Nähe von Mainz bedeutet die Fußballweltmeisterschaft im eigenen Land auch eine Krönung der bisherigen Unternehmensgeschichte. Wochenlang haben Baaser und seine Firma B und D Allzweck Sportartikel auf einen Anruf des Fußballweltverbandes FIFA gewartet. Im August klingelte endlich das Telefon und übermittelte gute Nachrichten: Der mittelständische Betrieb ist der WM-Ausrüster für die FIFA.

Pfeifenspezialist Nummer eins

Schiedsrichterskandal
Warten auf den AnpfiffBild: dpa

Nicht nur ein prestigeträchtiger, sondern auch ein lukrativer Auftrag. Zwischen 400.000 und 500.000 Euro überwies der Fußball-Weltverband an Baasers Firma. Den Umsatz von derzeit rund elf Millionen Euro pro Jahr wird das beflügeln. Alle 34 Mitarbeiter sind mächtig stolz. Der Lieblingsartikel des Chefs und ehemaligen Schiedsrichters ist: na klar, die Pfeife. "Wir sind wohl der Pfeifenspezialist in ganz Europa", sagt Baaser. "Keiner verkauft so viele Pfeifen wie wir." In Deutschland gibt es keinen Hersteller für Pfeifen, deswegen bestellt Baaser seine Pfeifen im Ausland. Die beste Pfeife kommt aus Kanada. "Das ist die Fox-Pfeife, die ist auch in der Bundesliga die Nummer eins." Insgesamt hat Baaser über 30 Pfeifen im Programm.

Sportpolitische Entwicklungshilfe

Die Waren werden in verschiedenen Teilen der Welt produziert und kommen meist als Einzelteile in das hauseigene Lager. Dort werden sie zusammengebaut, verpackt und an die Kunden verschickt. Rund 45.000 Pakete verlassen jährlich das Haus. Die Empfänger sind vielfältig: Vom lokalen Sportverein über Profimannschaften bis hin zu Weltverbänden. Baaser liefert in alle Erdteile. Gemeinsam mit der FIFA betreibt Baaser sogar sportpolitische Entwicklungshilfe. "Es ist nicht so leicht, mal eben vier Tore nach Moldawien zu bringen", erklärt er. Allein organisatorisch sei das eine Mammut-Aufgabe. Die letzte Lieferung ging an Saudi Arabien. "Da muss man mit den Mitarbeitern der Botschaft gut Freund sein und viel Geduld haben, um alle Papiere zu bekommen", sagt Baaser und setzt ein spitzbübisches Lächeln auf.

Als Schiedsrichter fing alles an

Nach einem Schlüsselerlebnis als Schiedsrichter gründete Baaser 1975 seine Firma. Zu einem Spiel in der Amateurklasse hatte er seine Utensilien vergessen und musste die Partie mit einer geliehenen Trillerpfeife leiten. Das wollte er nicht noch einmal erleben und bastelte sich eine Schiedsrichtertasche zusammen, die vom Spielberichtsbogen bis zur roten Karte alles enthielt. Kleidung für Schiedsrichter gab es damals nicht, erinnert sich Baaser. "Ich habe mir im Supermarkt ein schwarzes Hemd geholt. Eine dunkelblaue Tennishose habe ich mir schwarz gefärbt, da lief mir dann die Farbe an den Beinen runter." Baaser hatte eine eindeutige Marktlücke entdeckt: Allein im ersten Jahr verkaufte er 30.000 seiner Schiedsrichter-Sets. Heute läuft jeder Bundesliga-Schiedsrichter mit Baasers Equipment auf.

Ein bisschen Bammel

Winfried Baaser weiß genau: nur als Fußballverrückter kann man in seiner Branche bestehen. Die Weltmeisterschaft im eigenen Land ist für einen Fußballfan wie ihn natürlich das Größte. Doch neben der Vorfreude spürt Baaser auch ein bisschen Nervosität. Er malt sich jetzt schon aus, was er durchmachen wird: "Wenn ein Spieler gegen die Eckstange stürzt und die Fahne kippt um, dann betet man: Hoffentlich passiert da nichts! Man ist derart angespannt. Man sieht die Fußballspiele ganz anders als der ganz normale Zuschauer."
Die Pfeifen, die gelben Karten, die Torstangen, Eckfahnen und Auswechseltafeln: alles muss halten, damit die 22 Männer auf dem Platz Fußball spielen können. Nur wenn die deutsche Mannschaft in Baasers Tornetz trifft, dann ist die Nervosität zumindest für einen Moment verflogen.