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Schlammschlacht bei Kempinski

Thomas Schmoll7. Dezember 2015

Reto Wittwer gehörte zu den ganz großen Managern der Hotelbranche. Kenner bescheinigen ihm, die Kempinski-Kette gerettet zu haben. Verabschiedet wurde er mit viel Lob - das vergiftet war.

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Deutschland Hotel Taschenbergpalais Kempinski in Dresden
Bild: imago/Volker Preußer

Reto Wittwer beschrieb sich einmal als einen talentierten Manager mit Unternehmer-Gen, der nicht so schnell aufgab. Mit 18 Jahren habe er eine Disco aufgemacht "und damit auch gleich meinen ersten Bankrott hingelegt", sagte er dem "Handelsblatt". "Der Laden war zwar immer voll, viele Mädels, aber niemand hat bezahlt, weil alle Gäste meine Freunde waren."

Doch bald verdiente Wittwer Geld, viel Geld. Er gehörte zu den ganz Großen der Hotel-Branche. 1995 wurde der Schweizer Vorstandschef der Luxushotelkette Kempinski. Über sein dortiges Agieren berichtete er: "Bei Kempinski habe ich Shareholder, die mir vertrauen und mich in Ruhe arbeiten lassen. Ich kann die Strategie bestimmen und meine unternehmerischen Ziele umsetzen. Sonst wäre ich aber auch sofort weg." Das war 2009.

Viel Lob beim Abschied

Sechs Jahre später wurde er "als Teil der langfristigen Nachfolgeplanung" verabschiedet, wie es seinerzeit offiziell hieß. Dazu gab es die übliche Lobhudelei. In einer am 30. Oktober 2014 veröffentlichten Pressemitteilung zur Verabschiedung des Top-Managers wurde Wittwers "klare Vision" herausgestellt, "das Kempinski-Portfolio international auszubauen und die Marke weiterzuentwickeln. In den fast 20 Jahren seit seiner Ernennung gelang es ihm, das Blatt für das Unternehmen zu wenden." In der Tat bescheinigen Kenner der Branche Wittwer, die Hotelkette gerettet zu haben.

Die Kempinski-Pressemitteilung vom 2. November 2015 zeichnet ein anderes Bild des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden. Der Konzern mit Sitz in Genf teilte mit, in der Schweiz Strafanzeige gegen Wittwer wegen "beruflichen Fehlverhaltens und Betrugs" gestellt zu haben. Er stehe im Verdacht, Kempinski "um hohe Geldbeträge" betrogen zu haben, die zunächst nicht beziffert worden waren. "Er wird verdächtigt, in betrügerischer Absicht Gelder aus dem Unternehmen geschleust und dabei alle internen Kontrollmechanismen umgangen zu haben". Dies auch in Zeiten, in denen die Hotelkette drastisch gespart habe, selbst beim Personal.

Die auf die Touristik- und Hotelbranche spezialisierten Fachportale "fvw" und "Hospitality Inside" nannten als erste den Betrag von mindestens sechs Millionen Schweizer Franken Verlust für das Unternehmen, den Wittwer mutmaßlich zu verantworten habe. Kempinski bestätigte den Betrag inzwischen in genannter Höhe, macht aber keine konkreten Angaben, wohin das Geld geflossen sein und wie der frühere Konzernlenker bei der angeblichen Trickserei mitgewirkt haben soll. Der Beschuldigte selbst bestreitet die Vorwürfe entschieden.

Deutschland Reto Wittwer Ex-CEO Kempinski
Reto Wittwer fühlt sich zu unrecht beschuldigtBild: picture-alliance/dpa/A. Gebert

Viel Arbeit für den Staatsanwalt

Nach Darstellung von "fvw" soll es sich um Provisionen handeln: Demnach habe Kempinski für die Vermittlung von Projektpartnern in Afrika und im Nahen Osten branchenübliche Beträge bezahlt. Daran wäre nichts auszusetzen. Der Haken: An der Firma mit Sitz auf den britischen Jungferninseln, die das Geld erhalten habe, soll Wittwer mutmaßlich beteiligt gewesen sein, so dass ein Teil des Gesamtbetrages bei ihm gelandet sein könnte. Konjunktiv, wohlgemerkt. Nach Angaben von "fvw" sollen die fraglichen Rechnungen ein fast gleichnamiges Unternehmen in Dubai ausgestellt haben. Das klingt nach sehr viel komplizierter Ermittlungsarbeit für die Genfer Staatsanwaltschaft.

Wittwers Rechtsanwalt Marc Oederlin erklärt, sein Mandant "bestreitet standhaft, die internen Kontrollmechanismen umgangen zu haben mit dem Ziel, große Geldsummen abzuziehen". Doch was heißt das? Kempinski behauptet nicht, Wittwer habe den Betrag in die eigene Tasche gewirtschaftet. Umgekehrt lehnt sich die Hotelkette mit ihren Anschuldigungen gegen den Ex-Topmanager weit aus dem Fenster.

Wittwers Nachfolger auf dem Chefsessel, Alejandro Bernabé, sagte: "Kempinski und alle Personen, die mit dem Unternehmen zu tun haben, wurden möglicherweise von jemandem hintergangen, in den wir unser vollstes Vertrauen gesetzt hatten." Kempinski bestätigte, was in der Branche schon lange gemunkelt wurde: Dass der Abschied Wittwers nicht "Teil der langfristigen Nachfolgeplanung" war, sondern auf Druck erfolgte. Bei der Verabschiedung Wittwers brachte der Aufsichtsrat die Hoffnung zum Ausdruck, "dass er uns trotz seines verdienten Ruhestands auch in seiner neuen Rolle als Präsident Emeritus weiterhin eng verbunden bleibt".

Schweiz Kempinski Schriftzug Symbolbild
Kempinski - die schweizer Hotelkette mit dem berühmten NamenBild: Getty Images/AFP/F. Coffrini

Wittwer will sich wehren

Ruhestand? Eng verbunden? Das Unternehmen selbst teilte mit: "Als Kempinski im letzten Jahr zum ersten Mal berufliches Fehlverhalten bei Wittwer vermutete, beschloss der Aufsichtsrat, dass Wittwer das Unternehmen verlassen muss, und erlegte ihm die Pflicht auf, sein Amt mit sofortiger Wirkung niederzulegen." Für rechtliche Schritte habe sich das Kontrollgremium erst nach dem Ende der "umfassenden internen Untersuchung" entschieden, die von einer dritten Stelle nach dem Weggang Wittwers im Oktober 2014 durchgeführt worden sei.

Die bestens in der internationalen Hotelbranche verdrahtete Chefredakteurin von "Hospitality Inside", Maria Pütz-Willems, führte ein ausführliches Gespräch mit Wittwer, der sich laut seines Anwalts vorläufig nicht weiter äußern will. In dem Interview stellte Wittwer die Vereinbarung zwischen ihm und Kempinski als Knebelvertrag dar, der ihm verboten habe, "ein Jahr lang mit irgendjemandem zu reden oder einen Anwalt zu kontaktieren". Deshalb habe er nichts zu der Lobeshymne bei der Verabschiedung gesagt.

Die Vorwürfe nannte Wittwer "diffamierend und vor allem faktisch unrichtig". Er drehte deshalb den Spieß rum und reichte Klage wegen Verleumdung und übler Nachrede bei der Genfer Staatsanwaltschaft ein, die er sogar persönlich vorbeigebracht haben soll. Sie richtet sich gegen Aufsichtsratschef Michael David Selby und gegen Vorstandsvorsitzenden Bernabe. "Ich werde mit allen juristischen Mitteln gegen diese Anschuldigungen vorgehen", zitierte "Hospitality Inside" den einstigen Superstar der Branche.