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Schlangestehen für die Cholera-Impfung

Gudrun Heise8. August 2012

In Guinea ist im Februar eine Cholera-Epidemie ausgebrochen. Um die Krankheit einzudämmen, führt die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" eine große Impfaktion in dem westafrikanischen Land durch.

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Frauen, Männer und Kinder warten in Guinea in Zweierreihen auf eine Cholera-Impfung (Foto: David Di Lorenzo/MSF)
Bild: David Di Lorenzo/MSF

Sein Tag beginnt morgens um fünf Uhr: Charles Gaudry ist Projektleiter der Organisation "Ärzte ohne Grenzen" und koordiniert in Guinea die Impfaktion gegen Cholera. Anfang des Jahres war eine Epidemie in dem westafrikanischen Land ausgebrochen. Die Mitarbeiter der zehn Teams sind ebenfalls schon früh auf den Beinen. Sie verladen die Impfstoffe und bringen sie an Ort und Stelle - dahin, wo an diesem Tag wieder geimpft werden soll. Diese bislang größte Impfaktion in einem afrikanischen Land wurde in Zusammenarbeit mit dem guineischen Gesundheitsministerium durchgeführt, hauptsächlich in der Region Buffa, nordwestlich der Hauptstadt Conakry.

"Wir hatten 30 Teams, die im Durchschnitt 1000 Menschen pro Tag geimpft haben", so Gaudry. Insgesamt bis zu 30.000 Menschen. Für "Ärzte ohne Grenzen" sei es eine Art Pilot-Projekt. Es solle zeigen, ob sich mit einer großen Impfaktion in den am schlimmsten betroffenen Gebieten eine Cholera-Epidemie eindämmen lässt oder nicht, erklärt der Projektleiter. Um das endgültig beurteilen zu können, müssen verschiedene Erhebungen und Daten ausgewertet werden und "Ärzte ohne Grenzen" wird die epidemiologische Entwicklung langfristig verfolgen und  überwachen. Die Ergebnisse sollen analysiert und dann eine allgemeine Strategie zur Eindämmung von künftigen Epidemien ausgearbeitet werden.

Die Gefahr der Dehydrierung

Noch immer ist Cholera eine sehr schwere Infektionskrankheit. Übertragen wird sie durch das Bakterium "Vibrio cholerae". Eines der Hauptsymptome ist extremer Durchfall. "Cholera kann sehr gefährlich sein", erklärt Professor Klaus Stark vom Robert-Koch-Institut in Berlin im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Gerade Menschen, die etwas geschwächt sind, deren Ernährungs- und Immunzustand nicht optimal ist, sind relativ anfällig und können bei einer Infektion sehr rasch ein sehr schweres Krankheitsbild entwickeln. Sie können auch in relativ kurzer Zeit sterben, wenn nicht schnell geeignete Gegenmaßnahmen ergriffen werden."

Krankheitserreger Bakterien Vibrio cholerae Stäbchenbakterium gramnegativ Erreger der Cholera Mikroaufnahme Rasterelektronenmikroskop REM-Color medicine bacteria Vcholera40K-134r (Foto: picture-alliance/OKAPIA KG Germany/Dr.Gary Gaugler/OKAPIA)
Cholera wird durch das Bakterium "Vibrio cholerae" verbreitetBild: picture-alliance/OKAPIA KG Germany/Dr.Gary Gaugler/OKAPIA

Mit Cholera Infizierte müssen dringend mit viel Flüssigkeit und Elektrolyten versorgt werden, denn die verliert der Körper bei Cholera in großen Mengen. "Das können bei manchen Menschen zwischen zehn und 20 Liter Flüssigkeit pro Tag sein", so Dr. Sebastian Dietrich von "Ärzte ohne Grenzen" in Berlin. "Dabei ist die Zeit von der Infektion bis zu den ersten Anzeichen ziemlich kurz. Es kann sich um ein par Stunden handeln oder um wenige Tage. Dann geht meistens alles sehr schnell: massiver Durchfall, manchmal auch Erbrechen und am Ende besteht der Durchfall nur noch aus Wasser."

Mangelnde Hygiene und verseuchtes Wasser

Cholera ist extrem ansteckend und wird vor allem durch verseuchtes Wasser übertragen. Gebiete mit mangelhafter Hygiene, in denen es keine gesicherte Versorgung gibt, sind also stark gefährdet. "Das heißt, die Menschen holen ihr Wasser aus Tümpeln oder aus Seen und auch offene Brunnen können infiziert sein", erläutert Sebastian Dietrich. Aber es gibt auch andere Übertragungswege: "Wenn ein Mensch mit Cholera infiziert ist und jemandem die Hand schüttelt und der dann wiederum Essen zubereitet, dann kann die Krankheit auch so übertragen werden." Mangelnde Hygiene, das betrifft vor allem einige Länder in Asien und Afrika, aber auch Krisengebiete gehören dazu. Nach einem Erdbeben beispielsweise oder in Flüchtlingslagern kommt es immer wieder zu Cholera-Epidemien wie beispielsweise in Haiti.

Frau schluckt Impfstoff gegen Cholera in Guinea (Foto: David Di Lorenzo/MSF)
Die Schluckimpfung gegen Cholera wird in zwei Dosen verabreichtBild: David Di Lorenzo/MSF
Grafik zur Verbreitung von Cholera 2010-2011(Grafik: DW)

Impfung zur Eindämmung der Epidemie

Etwa 143.000 Menschen wurden allein von April bis Mai in der Region Boffa und Forecariah in Guinea geimpft. Die Impfung wird oral verabreicht und mit viel Wasser geschluckt, damit der Wirkstoff gut vom menschlichen Körper aufgenommen und vertragen wird. Wichtig ist auch, dass die Menschen zur zweiten Impfung erscheinen, denn der Impfstoff, der von "Ärzte ohne Grenzen" finanziert wird, muss zweimal im Abstand von wenigen Wochen verabreicht werden, um ausreichend Schutz zu bieten.

"In den größeren Studien", so Klaus Stark, "wurde eine Wirksamkeit von zwischen 60 und 80 Prozent gezeigt." Eine Massenimpfung, wie sie in Guinea durchgeführt wird, muss unmittelbar nach Ausbruch der Cholera in den Kerngebieten, um die weitere Ausbreitung so gut wie möglich zu verhindern. Die Teams vor Ort setzen aber auch auf praktische Hilfe wie etwa die Desinfektion von Haushalten, in denen es Cholera-Infizierte gibt. Sie suchen nach den Hauptursachen, verseuchte Wasserstellen zum Beispiel, und sie kümmern sich um sauberes Wasser. Sie klären darüber auf, wie man sich vor einer Ansteckung schützen kann und verteilen Pakete mit Hygieneartikeln.

Aufruf per Megafon

Zunächst aber müssen die Guineer dazu gebracht werden, überhaupt zu den Impfungen zu erscheinen. Zwei Tage vorher, so Charles Gaudry, würden deshalb Mitarbeiter in die Dörfer geschickt. "Die Teams sind mit dem Auto unterwegs und verkünden im Dorf mit einem Megafon, dass es in zwei Tagen, in einem bestimmten Gebiet wieder Impfungen geben wird." Die Impfzentren werden meist an zentralen Orten eingerichtet, so dass alle sie gut erreichen können. "In den Gebieten, in denen wir geimpft haben, in den Epidemie-Zentren, ist die Zahl der Infizierten komplett zurückgegangen", freut sich Charles Gaudry. "Die Tendenzen sind vielversprechend."

Frau erhält Frischwasser zusammen mit Cholera-Impfung (Foto: David Di Lorenzo/MSF)
Viele Freiwillige helfen bei der Organisation und DurchführungBild: David Di Lorenzo/MSF