1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Schlechte Aussichten in der Ukraine

Christiane Hoffmann19. Juli 2005

Ein halbes Jahr ist der ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko im Amt. Unsicherheit in der Bevölkerung hat mittlerweile die Hochstimmung nach dem Umbruch im Land vedrängt.

https://p.dw.com/p/6vx2
Juschtschenko-Unterstützer halten zu ihrem Präsidenten - vorerstBild: AP

Beim Treffen des EU-Außenbeauftragten Javier Solana mit dem ukrainischen Präsidenten Viktor Juschtschenko am Dienstag (19.7.2005) ist die Vertiefung der Beziehungen der EU zur Ukraine ein zentrales Thema. Doch allzu euphorisch dürfte die Stimmung nicht sein. Denn von der EU hatte sich die Ukraine nach dem Umbruch im vergangenen Herbst mehr versprochen. Statt einer schnellen Assoziierung mit Aussicht auf einen EU-Beitritt wird dem Land zwischen Russland und der Europäischen Union bisher lediglich die enge Zusammenarbeit angeboten. So kann Präsident Viktor Juschtschenko nur auf den langen Atem der Bevölkerung hoffen.

Streit um den Reformweg

Ukrainisches Parlament bestätigt Julia Timoschenko als Regierungschefin
Julia Timoschenko nach ihrer Ernennung zur neuen RegierungschefinBild: AP

Doch nicht nur in der Außenpolitik - auch innenpolitisch sind die Probleme des Landes nicht kleiner geworden. Im Gegenteil – der regierende Parteienblock "Nascha Ukraina" hat sich über den richtigen Weg zu Reformen zerstritten. Premierministerin Julia Timoschenko möchte einen radikaleren Bruch mit dem alten Regime und zum Beispiel mehr Privatisierungen aus der Zeit von Ex-Präsident Leonid Kutschma rückgängig machen.

Der wirtschafsfreundlichere Flügel um Präsident Viktor Juschtschenko und den Geschäftsmann und jetzigen Chef des Nationalen Sicherheitsrates, Petro Poroschenko, will diese Revisionen auf wenige große Unternehmen beschränken. Ein letzter aktueller Höhepunkt der Unstimmigkeiten war am Montag (18.7.) der Rücktritt des Vizepremier Roman Bessmertnyi wegen verschiedener Auffassungen über eine Gebietsreform.

Keine Einigung in Sicht

"Das ist ein Charakteristikum dieser Regierung, dass sie miteinander streiten wie die Kesselflicker und es innerhalb des Lagers eine Spaltung gibt", sagt Ralf Wachsmuth, der für die Konrad-Andenauer-Stiftung die Entwicklung im Land beobachtet. "Es ist weit und breit kein Block in Sicht, der einigend wirken könnte, die Opposition ist kaum präsent."

Die Bilanz der Regierung Timoschenko nach einem halben Jahr sei nicht besonders gut, so Wachsmuth. So ist das Wirtschaftswachstum eingebrochen - von zwölf Prozent 2004 auf gut ein Prozent im Juni. Die Exporte sind zurückgegangen, unter den Unternehmern herrscht Unruhe über den Kurs der Regierung.

Zu viele Baustellen auf einmal

Wahlen in der Ukraine Anhänger der Präsidentschaftskandidat der Opposition
Zwei alte Damen während einer Demonstration für ihren Präsidentschaftskandidaten, den Oppositionsführer Viktor Juschtschenko, im Herbst 2004Bild: AP

"Ich glaube, man hat den großen Fehler begangen, zu viele Baustellen zeitgleich zu eröffnen. Es ist nicht gelungen, sich auf einige wesentliche Projekte zu konzentrieren, mit denen man am Ende des Jahres vor die Wähler treten und sagen könnte, schaut das haben wir erreicht", sagt Wachsmuth.

So sollte möglichst schnell die weit verbreitete Korruption bekämpft werden. So wurden die Sonderwirtschaftszonen im ganzen Land gestrichen. Die seien vor allem in den Regionen errichtet worden, die für den Clan von Ex-Präsident Kutschma, besonders günstig seien, begründete Präsident Juschtschenko die Entscheidung. Die Folge war der Protest von in- und ausländischen Unternehmern, die in diesen Regionen investiert hatten und mit den Steuervorteilen rechneten. Diese Regelung wird jetzt wieder rückgängig gemacht.

Die Bevölkerung steht noch hinter der Regierung

Noch sei die Enttäuschung vor allem bei Unternehmern zu merken, die Bevölkerung stehe mehrheitlich noch hinter Juschtschenko, meint Ukraine-Kenner Wachsmuth. Allerdings könne sich das in den nächsten Monaten stark ändern. Denn das Land steht vor einem Wahlkampf zu den Parlamentswahlen im nächsten Frühjahr - und vor einem Winter, mit möglicherweise starken Preissteigerungen, auch im Energiesektor wegen der noch immer anhaltenden Spannungen mit dem Nachbarn Russland.

WTO-Beitritt steht in Frage

So steckten auch hinter der Abstimmungsniederlage der Regierung im Parlament über die Gesetze zur Vorbereitung des WTO-Beitrittes der Ukraine vor allem handwerkliche Fehler. Man habe den Abgeordneten kaum Mitspracherecht eingeräumt und die Gesetze im Hauruck-Verfahren durch das Parlament peitschen wollen. Dadurch sei jetzt der Beitritt - ein Prestige-Projekt der neuen Regierung und ein wichtiges Zeichen für die Angleichung des Landes an den Westen - in Gefahr. Das beurteilt auch Lars Handrich von Institut für Wirtschaftsforschung so: "Ich sehe, dass es zunehmend schwieriger wird, noch in diesem Jahr der WTO beizutreten, wenn die Diskussion wie im Moment auf diesem Niveau weitergeführt wird. Das wäre für das Land ein erheblicher Rückschritt."