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Schlechte Noten für Bundesregierung und EU-Kommission

Wolter von Tiesenhausen12. November 2003

"Sitzenbleiben – sechs!" So ließe sich das Urteil der "Wirtschaftsweisen" über die Politik der Bundesregierung zusammenfassen. In ihrem Herbstgutachten kritisieren die Experten auch die EU-Kommission.

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Sparen ist eine Tugend, die bei der Bundesregierung nicht in Mode ist

Bei der Einschätzung des wirtschaftlichen Wachstums verhalten sich die Wirtschaftsweisen ähnlich wie die Bundesregierung. Nach der Stagnation in diesem Jahr erwarten sie vom nächsten Jahr an eine Zunahme von anderthalb Prozent. Sollten alle Reformpläne der Bundesregierung auch umgesetzt werden, könnte die Steigerung sogar bei 1,7 Prozent liegen, eben jenem Prozentsatz, den auch Bundesfinanzminister Hans Eichel für seine Haushaltsplanung zu Grunde gelegt hat.

Mahnung

Wolfgang Wiegard
Wolfgang Wiegard, Vorsitzender des Rates der Wirtschaftsweisen, gestikuliert waehrend einer Pressekonferenz in Berlin am Mittwoch, 12. November 2003. Der Rat gibt alljaehrlich sein Gutachten zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung an die Bundesregierung ab. (AP Photo/ Jan Bauer)Bild: AP

Nachdrücklich mahnen die Sachverständigen die weitere Konsolidierung des Bundeshaushaltes an. "Erfolgreiche Konsolidierungsphasen knüpfen auf der Ausgabenseite an, nicht auf der Einnahmenseite", sagt der Sprecher des Rates, Professor Wolfgang Wiegard (Foto). "Deswegen muss eine Konsolidierung über eine Reduzierung der staatlichen Ausgaben erfolgen. Die Staatsquote muss reduziert werden."

Da dies nach dem bisher vorliegenden Haushaltsentwurf nicht der Fall sein wird, gehen die Weisen davon aus, dass die Defizitobergrenze im nächsten Jahr erneut überschritten wird. Dies kann zwar als Maßnahme zur Beseitigung einer nachhaltigen Störung des wirtschaftlichen Gleichgewichtes begründet werden, doch zweifeln die Professoren daran, dass dies bei einem gleichzeitig erwarteten Wirtschaftswachstum von anderthalb Prozent gerechtfertigt ist.

Gefahren

Gefahren sehen die Wirtschaftsweisen auch darin, dass der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt erneut gebrochen wird. Damit werde die europäische Wirtschafts- und Währungsunion in ihrer Substanz bedroht. Die Professoren setzen darauf, dass die Kommission in Brüssel entsprechende Sanktionen verhängt. Anderenfalls riskiere man die Demontage des Paktes.

Wenig erfreuliches erwarten die Gutachter von der Entwicklung des Arbeitsmarktes in Deutschland. Die Zahl der Erwerbstätigen wird weiter zurückgehen, die Zahl der Arbeitslosen auf 4,4 Millionen leicht ansteigen. Dafür bleiben die Preise fast stabil und werden sich lediglich um 1,2 Prozent erhöhen.

Hochsteuerland

Deutschland ist nach Meinung der Gutachter nach wie vor ein Hochsteuerland. Wolfgang Wiegard erklärte: "Wenn man die effektiven Durchschnittsbelastungen der deutschen Unternehmen sich anschaut und auch die Tarifbelastungen von Kapitalgesellschaften auf Unternehmensebene, dann sind diese Tarifbelastungen und die effektiven Durchschnittsbelastungen höher als in jedem anderen Land in Europa."

Deshalb fordern die Wirtschaftsweisen eine Vereinfachung des Steuerrechts. Allerdings gehen sie dabei nicht so weit wie die christdemokratische Opposition, die ein völlig neues Steuerrecht einführen will, sondern plädieren für eine duale Einkommenssteuer, die Kapital- und Arbeitseinkünfte mit unterschiedlichen Steuersätzen belastet, ein System, das sich nach ihren Worten bereits in Skandinavien bewährt hat.