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Schlechte Noten für Tschechiens Politiker von deutschen Investoren

11. April 2002

– Kritik wegen Korruption, mangelhaften Gläubigerschutzes und fehlender Rechtssicherheit

https://p.dw.com/p/24t8

Prag, 10.4.2002, PRAGER ZEITUNG, deutsch

Die Ergebnisse der traditionellen Frühjahrsumfrage der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer (DTIHK) in Prag unter deutschen Investoren zeigen: Billige und qualifizierte Arbeitskräfte sind Tschechiens Plus, Wirtschaftspolitik und Verwaltung werden gerade mal mit der Note ausreichend bedacht.

Korruption, mangelhafter Gläubigerschutz und fehlende Rechtssicherheit belasten das Vertrauen deutscher Investoren in den tschechischen Standort. Dies geht aus einer Umfrage der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer (DTIHK) unter deutschen Unternehmen in Tschechien hervor. Dass Tschechien trotzdem ausländische Investitionen in Milliardenhöhe anziehen kann, ist den tschechischen Arbeitnehmern zu verdanken: Qualifizierte Arbeitskräfte und moderate Gehälter wurden in der Umfrage als Hauptgründe für das Engagement in Tschechien genannt.

Auf einer Schulnoten-Skala von eins (sehr gut) bis sechs (ungenügend) erhielt die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter die beste Note: 2,8. Ähnlich positiv urteilten die 230 Umfrageteilnehmer über die Qualifikation der Arbeitskräfte und das Lohnniveau. Dagegen wurden Steuersystem, öffentliche Verwaltung und Wirtschaftspolitik lediglich mit ausreichend bewertet.

Besonders schlecht kam das Rechtswesen weg: Gläubigerschutz, Rechtssicherheit und der Schutz vor Korruption sind ausreichend bis mangelhaft. Auch die Förderpolitik der Regierung stieß auf Kritik, Fördergelder waren nur für eine kleine Minderheit der Unternehmen ein Grund, um in Tschechien zu investieren.

Andreas Schäfer, Chefvolkswirt der DTIHK: "Wichtiger als Steuererleichterungen für Großprojekte sind verbesserte rechtliche Rahmenbedingungen. Davon profitieren alle Unternehmen, große und kleine, tschechische und ausländische."

Die aktuelle Geschäftslage der tschechischen Tochtergesellschaft beurteilte rund die Hälfte der von der Kammer Befragten mit gut, ein weiteres Drittel mit befriedigend. Allerdings sind sechs Prozent der Firmen mit ihrer Geschäftslage unzufrieden, im Vorjahr galt dies lediglich für ein Prozent. Für das laufende Geschäftsjahr sind die Unternehmen nur noch verhalten optimistisch. Zwar erwartet gut ein Drittel der Unternehmen eine Verbesserung der Geschäftslage, gleichzeitig gibt es jedoch eine große Schar von Pessimisten - mit rund 20 Prozent deutlich mehr als im Vergleich zum Vorjahr.

Auf den ersten Blick ein Widerspruch, da die tschechische Binnennachfrage weiterhin ungebrochen ist. Andreas Schäfer erklärt dies so: "Die deutschen Investoren sind überdurchschnittlich exportorientiert und leisten einen großen Beitrag zu den tschechischen Ausfuhren. Da machen sich die starke Krone und die Konjunkturschwäche in vielen wichtigen Markten natürlich bemerkbar."

Dies spiegelt sich auch in den Erwartungen für Investitionen, Personal und Umsatze wider. So möchte ein Viertel der Unternehmer die Investitionen im laufenden Jahr zurückfahren, 30 Prozent werden ihre Investitionen 2002 erhöhen. Im Personalbereich sieht es ähnlich aus: nur noch 31 Prozent planen Neueinstellungen, 2001 waren es noch knapp 60 Prozent.

Breite Unterstützung findet, wie zu erwarten, der EU-Beitritt: Fast 70 Prozent der Unternehmen halten eine Mitgliedschaft Tschechiens in der Europäischen Union für vorteilhaft, ein weiteres Viertel steht diesem Vorhaben zumindest neutral gegenüber. Gründe für die positive Einstellung gegenüber der Osterweiterung sind erwartete Handelserleichterungen, Zollvereinfachungen und Erleichterungen im Wahrungs- und Zahlungsverkehr. Darüber hinaus wird die Angleichung an europäisches Recht als Vorteil gesehen. Zusätzlich erhoffen sich viele positive Einflusse aus und eine Angleichung an Westeuropa. Allerdings befürchten die Unternehmer Lohn- und Kostensteigerungen im Zuge des EU-Beitritts und sind sich bewusst, dass neue Konkurrenz, auch für den tschechischen Markt, entstehen wird.

Die deutschen Unternehmern hoffen aber, dass die allgemeine Investitionsbereitschaft zunehmen wird: Größere Sicherheit für die Kapitalgeber und der Zugang zu neuen Fördermöglichkeiten begründen diese Zuversicht.

Insgesamt gehen 42 Prozent der befragten Unternehmen davon aus, dass Tschechien als Standort an Attraktivität gewinnen wird. Allerdings gehen auch 15 Prozent der Befragten von einem Rückgang der allgemeinen Investitionstätigkeit aus. Als positive Standortfaktoren wurden die gute Infrastruktur, qualifizierte und nach wie vor vergleichbar günstige Arbeitskräfte und die günstige Lage in der Mitte Europas genannt. Als Hauptkonkurrenten für den Investitionsstandort Tschechien werden die übrigen Mitteleuropa-Länder gesehen, insbesondere Polen, Ungarn und die Slowakei.

(...) Leistungsbereitschaft der Arbeitnehmer, Qualifikation und das Lohnniveau werden überwiegend positiv bewertet (...). Ganz schlecht dagegen kommen die Bereiche weg, die von der Politik zu verantworten sind: Steuersystem, öffentliche Verwaltung, Wirtschaftspolitik (...).

Die (...) Kritik an Tschechiens politischer Elite wird keineswegs nur von den deutschen und westeuropäischen Investoren geäußert. Hochrangige tschechische Manager werden in privaten Unterhaltungen weitaus deutlicher: In den Vereinigten Staaten, so sagt einer von ihnen, macht jemand zuerst Geld und dann geht er in die Politik, um etwas für sein Land zu leisten. In Tschechien geht er gleich in die Politik und macht dort sein Geld.

Dass Politik vielen Tschechen als anrüchiges Geschäft gilt, ist sicher auch eine Folge der von einem totalitären Regime geprägten Vergangenheit. Doch es findet durch immer neue Skandale immer neue Nahrung. Tschechiens politische Elite hat bisher zu wenig getan, um die Kritik ausländischer Investoren und die Vorurteile ihrer Landsleute zu entkräften. (ykk)