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Schlechte Zeiten, fröhliche Feten

Bernd Gräßler3. Januar 2003

Zahlreiche Menschen feierten in Berlin den Jahreswechsel mit Feuerwerk und reichlich Sekt. Es ging ausgesprochen fröhlich zu, obwohl die Stimmung der Deutschen laut Umfragen doch derzeit so schlecht wie lange nicht ist.

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Wirtschaft und Arbeitsmarkt kränkeln, Steuern und Abgaben steigen. Dazu kommt die Einführung des Dosenpfands, eine der einschneidendsten Veränderungen seit der Gründung der Bundesrepublik, gemessen an der Heftigkeit der Diskussion und der Ausführlichkeit der Medienberichterstattung. Kurzum: die meisten erwarten von 2003 nicht viel Gutes.

Je schlechter die Zeiten, desto fröhlicher die Feten, sagen die Zyniker: schon im alten Rom feierten sie die wüstesten Orgien, als es dem Ende entgegenging. Von solcher Weltuntergangsstimmung hält Bundeskanzler Gerhard Schröder natürlich nichts. "Wir Deutsche wissen, wie man Probleme löst und Schwierigkeiten meistert", verkündete Schröder erhobenen Hauptes in seiner Neujahransprache.

Als die in Deutschland über die Bildschirme flimmerte, weilte der Kanzler allerdings in Shanghai. Dort raste eine von deutschen Firmen entwickelte Magnetschwebebahn mit über 400 Stundenkilometern durch die chinesische Landschaft. Zunächst nur 31 Kilometer weit, aber die Chinesen wollen noch viel mehr bauen. In Deutschland dürfte jetzt der jahrelange Glaubenskrieg in eine neue Runde gegen, ob es sinnvoll ist, auch hierzulande eine solche Bahn zu bauen.

Vielleicht hat sich Schröder kurzzeitig gewünscht, Kanzler von China zu sein, aber inzwischen ist er wieder zu Hause. Die Rückkehr aus dem Schwebezustand auf den harten Boden der deutschen Tatsachen droht spätestens kommende Woche. Dann wird das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung eine neue Wachstumsprognose abgeben, die noch niedriger liegen dürfte, als die von der Regierung erwarteten 1,5 Prozent. Außerdem wird die Arbeitslosenzahl für Dezember 2002 offiziell bekannt gegeben, die über 4,2 Millionen liegt.

Einen harten Weg und schmerzhafte Reformen kündigt der Kanzler deshalb für die kommenden Jahre an. Und Bundestagspräsident Wolfgang Thierse prophezeit gar: soziale Konflikte in Deutschland seien bisher so glimpflich abgelaufen, weil immer irgendwelche Zuwächse zu verteilen waren. Doch das, was die alte Bundesrepublik gewohnt war, gelte nicht mehr.