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Schluss mit Ladenschluss

Daniel Wortmann7. Juni 2003

Stück für Stück schrumpft das deutsche Ladenschlussgesetz. Was in Deutschland lange undenkbar war, ist in anderen Ländern völlig normal: Die Nachfrage bestimmt den Ladenschluss.

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In Deutschland neu, anderswo normal: Samstags länger einkaufenBild: AP

Noch im März 2003 war die Gewerkschaft ver.di gegen eine Verlängerung der Ladenöffnungszeiten an Samstagen zu Felde gezogen. Familienfeindlich sei die Initiative der Bundesregierung, sie vernichte Arbeitsplätze und gehe auf Kosten der Beschäftigten. Die kulturlose "Rund-um-die-Uhr-Gesellschaft" sei die Konsequenz aus der Aufweichung der Schließzeiten. Auf einer Großdemonstration trillerte man gegen "Wochen ohne Ende".

Sonntag bleibt tabu

Drei Monate später regt sich kaum noch etwas. Erst in den Tiefen der Navigation entdeckt man auf den Internetseiten von ver.di eine verwaiste Seite zum Ladenschluss. Samstags – wie bisher schon an anderen Werktagen – statt bis 16 Uhr bis 20 Uhr einkaufen, damit hat man sich abgefunden. Seit diesem Samstag (7.6.2003) wird der Kunde nun auch in Deutschland nicht mehr um 16 Uhr vor die Tür gesetzt. Allein der Sonntag bleibt ein Tabu, und zwar ein verfassungsrechtliches: Er fällt unter das im Grundgesetz geregelte Verbot der Sonntagsarbeit.

Und doch haben die Verfechter von noch liberaleren Vorschriften zahlreiche Vorbilder. In vielen Nachbarländern wie auch in Übersee kennt man kein entsprechendes Ladenschlussgesetz. So dürfen Geschäfte in England ihre Öffnungszeiten grundsätzlich frei bestimmen. An Sonntagen gibt es allerdings Beschränkungen, die kleinere Läden bevorzugen und somit deren Existenz sichern helfen: Geschäfte von mehr als 280 Quadratmetern Größe dürfen nur sechs Stunden am Tag ihre Pforten offen halten.

Shoppen rund um die Uhr

Lebensmitteleinkauf
Bild: Bilderbox

Auch in Frankreich und Spanien gelten konsumentenfreundliche Vorschriften. Hier darf werktags rund um die Uhr eingekauft werden. Restriktiver geht es in den Niederlanden zu. Um 22 Uhr endet in der Regel der Einkauf. An zwölf Terminen im Jahr ist der Kunde zudem auch sonntags König – wenn er denn will. So ist dort auffällig, dass die seit 1996 gültigen langen Öffnungszeiten nur von einem kleinen Teil der Händler umgesetzt werden. Lediglich zwei Prozent der Geschäfte sind tatsächlich noch nach 21 Uhr geöffnet. Samstags schließen viele Läden sogar weit früher. Auch nutzen nur etwa 10 Prozent der Geschäfte alle verkaufsoffenen Sonntage.

Ganz anders in den USA. Hier gehören unbegrenzte Öffnungszeiten zu Geschichte und Mentalität des Landes. Auch außerhalb der größeren Städte haben zahlreiche Supermärkte rund um die Uhr geöffnet. Ganze Einkaufszentren sind auch sonntags für ihre Kunden da und erfreuen sich großer Beliebtheit.

Mehrheit gegen Ladenschluss

Deutschland ist indes schon seit dem 14. Jahrhundert an Ladenschlussgesetze gewohnt. In dieser Zeit setzten einige Städte erstmals den Sonntag also verkaufsfreien Tag fest. Der Geist dieser Gesetze, die im Laufe der Zeit auf die Einschränkungen für Werktage ausgedehnt wurden, lebt bis heute fort. Erst jetzt bildet sich auch in der Bevölkerung eine Mehrheit für liberalere Regelungen. Nach einer Umfrage des Allensbach-Instituts sind nur noch ein Drittel der Deutschen für eine gesetzliche Festlegung des Ladenschlusses.

Jetzt bewegt sich also auch Deutschland einen Schritt weiter in Richtung einer völligen Freigabe der Öffnungszeiten. Kaum bemerkt von der Öffentlichkeit geht unterdessen die Diskussion weiter. Die Berliner SPD hat erst kürzlich – wie zuvor die FDP – die völlige Abschaffung des Ladenschlussgesetzes gefordert. Verhältnisse wie in England wird es jedoch zunächst nicht geben. Dafür steckt im Deutschen wohl zuviel jahrhundertelange Gewohnheit.