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Schmerzhafte Blässe

Patrick Tippelt, Bangkok1. März 2005

Die oberen Damen Thailands machen es der Frau von heute vor: dunkle Haut ist verpönt - schön sein bedeutet, sich die Haut zu bleichen, auch wenn das kein Glück garantiert. Frauen in Thailand – doppelte Qual.

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Die Brustwarzen waren es nicht. Die waren abgeklebt. Dennoch haben 15 Minuten Nacktheit in der letzten Februar-Woche 2005 die Moralwächter Thailands aufschreien lassen. Dass eine Frau einer anderen eine Viertelstunde lang die Brüste massiert, das ist ein Tabu im Land der Go-Go-Bars, auch wenn man sich das nicht vorstellen kann, denkt man an die Sex-Strassen Patpongs, derentwegen zu viele Touristen das Land aufsuchen.

Da hatte eine Firma eine Brustvergröβerungscreme auf den Markt geworfen und wurde prompt wegen zu aggressiver Werbung verurteilt. St Herb Co wollte nun demonstrieren, dass das Schönheitsprodukt tatsächlich wirkt – nur dass die Firma zuviel Kreativität an den Tag legte: Die drei weiblichen Models, die da mit entblöβten Oberkörpern auf einem Podest für die Presse posierten, bekamen eine Brustmassage verpasst, die beweisen sollte, dass die Creme Wunder wirkt. Dass die Polizei die drei Models mit einer Geldstrafe von je 500 Baht (10 Euro) wegen unsittlichen Verhaltens bestrafte, sagt etwas über die strenge Moral im Land aus, aber noch viel mehr über hiesige Schönheitsideale.

Die Geister des Adels

Bleichungscremes sind seit Jahren der Verkaufsschlager schlechthin – Hunderte von Millionen Euro werden dafür ausgegeben. Je weiβer die Haut, je näher der für Europäer so ungesund erscheinenden Blassheit, desto begehrenswerter die Frau. Dunkle Haut zeugt von ärmlichen Familienverhältnissen, von Stammbäumen, die in Reisfelder münden, nicht von den veerbten, hellen Teints der reichen, meist chinesisch-thailändischen Familien.

Auf den Gesellschaftsseiten der Zeitungen sind täglich Geister zu sehen. Schneeweiβe Gesichter schauen ernst in die Kameras der Paparazzi, Gesichter so blass, man könnte denken, sie wären mit Mehl bestaubt. Dies sind die Damen der oberen Zehntausend, mit Familiennamen, die sie an die Königsdynastie binden. Und dies sind die Vorbilder für die breite Masse, die diese Fotos morgens auf dem Weg zur Arbeit studiert. Warum Farangs (Kaukasier) sich der Sonne aussetzen, um ihre Haut zu verbrennen, ist den Thais ein Rätsel. Sie geben oft ein Vermögen aus für Behandlungen, die die dunklen Pigmente in ihrer Haut ausbleichen.

Ehe-Madonnen und bleiche Huren

Die Frauen Thailands hecheln zwei gänzlich verschiedenen Schönheitsidealen hinterher: zum einen den bleichen Quasi-Adligen der oberen Klassen – zu reich zum Arbeiten, Hauptbeschäftigung Einkaufen und Lunchen; zum anderen den ausgemergelten, weiβen Models, die sie auf immensen Plakaten dazu ermuntern, noch ein wenig mehr abzunehmen, sich die Brüste vergröβern zu lassen, und die sie schmerzlich daran erinnern, dass sie den falschen Teint haben, egal wie viele Cremes sie benutzen. Auch wenn es seltsam erscheinen mag für die Europäerin, die weiss, wie dünn Asiatinnen eigentlich sind: auch in Thailand ist Bulimie nicht unbekannt.

Die Männer Thailands sind die Machos Asiens. Die Frauenberatungszentren Bangkoks, selbst ein sehr junges Phänomen, werden meistens von Frauen besucht, die sich über die Affären der Ehemänner beschweren. Sich eine Geliebte zu halten ist Tradition in Thailand. Selbst Parlamentarier schämen sich ihrer "kleinen Frauen" nicht. Und auch wenn die Zahl der modernen Frau in Bangkok – selbstbewusst, selbstständig, beruflich erfolgreich – wächst: traditionelle Rollen überwiegen. Männer wollen die Ehe-Madonna in der Küche; für die Hure hält die Geliebte her, oft einquartiert in einer eigenen Wohnung. Und so bleibt vielen Frauen Thailands nichts anderes übrig als zu schmieren, zu bleichen, und zu hungern.