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Schmuselied und Propagandawaffe

14. Dezember 2001

"Wenn sich die späten Nebel drehn, werd ich bei der Laterne stehn wie einst Lili Marleen", sang Lale Andersen im Jahr 1939, und über alle Fronten hinweg stimmten Soldaten begeistert ein.

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Lili Marleen-Ausstellung im Bonner Haus der GeschichteBild: AP

Die meisten Menschen kennen kaum mehr, als die ersten Zeilen des Liedes: Nostalgische Gefühle wecken allein der Name und die Melodie. "Lili Marleen" ist der wohl populärste Schlager des Zweiten Weltkriegs. Gedichtet 1915 von Hans Leip und vertont 1938 von Komponist Norbert Schultze, entwickelte sich "Lili Marleen" zum Kriegs-Schlager Nummer Eins und wurde in mehr als 40 Sprachen übersetzt.

Das Lied des Soldaten, der am Treffpunkt unter der Laterne vor der Kaserne von seiner Lili Abschied nimmt, sprach nicht nur Soldaten aus dem Herzen. Trennung und ungewisse Zukunft bewegten eine ganze Generation.

Lale Andersen, die erste Interpretin des Laternenliedes, verkörperte die frenetisch gefeierte deutsche Lili Marleen. Keine andere Sängerin wird so sehr mit der Kunstfigur identifiziert, wie die Andersen Lehe bei Bremerhaven. Als die Künstlerin 1942 beim Briefwechsel mit jüdischen Emigranten ertappt wurde, erhielt sie Auftrittsverbot.

Die 2. Und 3. "Lili Marleen"

Amerikaner denken bei "Lili Marleen" an Marlene Dietrich. Sie verleiht 1944 ihrer Version der "Lili Marleen" eine pikante Note: Als entschiedene Nazigegnerin singt sie vor amerikanischen Soldaten in Frankreich und Deutschland. Für ihren Einsatz zur Stärkung der Kampfesmoral erhält der Weltstar sogar einen amerikanischen Armee-Orden.

Kostümuniform von Marlene Dietrich
Originalkostüm der Marlene DietrichBild: AP

Auch die Briten haben ihre eigene "Lili Marleen". Dem britischen Geheimdienst war die Begeisterung der eignen Soldaten Grund genug zu der Befürchtung, der Sirenengesang von Lale Andersen könne zur Schwächung der alliierten Kampfmoral beitragen. In der Tat baute das deutsche Afrikakorps mehrfach Lautsprecherwagen an der Front auf, um den Engländern das Rührstück von der Soldatenbraut vorzuspielen. Seit 1942 verbreitete der Reichsrundfunk das Lied sogar in seinen englischsprachigen Propagandasendungen. Die Briten schlugen auf dem gleichen Propagandaweg zurück: Sie produzierten eine englischsprachige Version des Liedes, das von Anne Shelton gesungen wurde.

Ein Mythos entsteht

Die Geschichte des Gassenhauers beginnt allerdings nicht erst im Zweiten, sondern bereits im ersten Weltkrieg. 1915 kritzelte der damals 21-jährige deutsche Infanterist Hans Leip die ersten Zeilen des Erfolgsstücks auf ein Stück Papier, als er in der Kaserne an der Berliner Kesselstraße auf seinen Abmarsch an die Karpatenfront wartete. Originellerweise gingen Leip dabei gleich zwei Frauen durch den Sinn: nämlich die Freundin eines Kameraden, die Betty hieß und von allen nur Lili gerufen wurde, und Marleen, eine Hilfsschwester aus einem Reservelazarett.

Über 40 internationale Musik- und Filminterpretationen des Schlagers belegen, dass er bis heute nicht an Popularität verloren hat: Es existieren Interpretationen von Perry Como bis Freddy Quinn sowie ein Film von Rainer Werner Faßbinder mit Hanna Schygulla in der Hauptrolle.