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Schnappschüsse statt Gewehrsalven

Christine Gruler25. November 2002

26 Schnappschüsse hält eine Einwegkamera bereit. Genug Munition für einen Beweis: Kunst überwindet die Grenzen einseitiger Perspektiven. Selbst dort wo die Lage aussichtslos scheint.

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Eine außergewöhnliche Freundschaft: Samar aus Bethlehem und Lynn aus Moshav Sittria.Bild: Jo Diener

Samar und Lynn stammen beide aus Israel. Kennen gelernt hätten sich die beiden Mädchen wohl nie, denn Samar ist Araberin, Lynn Jüdin. Weltweite Appelle und diplomatische Bemühungen waren umsonst - die Fronten zwischen den beiden Völkern sind verhärtet. Zwei Fotokünstlern aus Tel Aviv gelang es, die beiden Mädchen dennoch miteinander bekannt zu machen.

Kreativität fördert Kommunikation

Eytan Shouker und Eldad Cidor glaubten an die Kraft der Kreativität. Als sie 1997 ihr ungewöhnliches Projekt starteten, waren in den palästinensischen Autonomiegebieten bereits restriktive Maßnahmen eingeführt worden. Für 500 Jugendliche, Palästinenser und Israelis, suchten sie einen "Pen-Pal" (Brieffreund). Die gute alte Postkarte schien eine Möglichkeit, unter Umgehung von Grenzposten, freundschaftliche Kontakte aufzubauen.

Postkarte Jüdisches Museum Ausstellung
"Pen-Pal-Projekt"Bild: Eytan Shouker und Eltan Cidor

Das "Pen-Pal-Projekt" basiert jedoch auf einem weiteren Gedanken: 500 Einwegkameras hatten die engagierten Künstler zuvor verteilt. Nach einer kurzen Einweisung sollten die Jugendlichen ihre unmittelbare Umgebung fotografisch festhalten – ein kreativer Prozess, der den Dialog zwischen den verfeindeten Nachbarn fördern sollte.

Mehr als Brieffreund

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Nicht alle ließen sich wie Samar und Lynn auf das Projekt ein. Jugendliche auf beiden Seiten befürchteten, ihre Teilnahme könnte als Kollaboration mit dem Feind gewertet werden. So blieben viele der Postkarten liegen; andere erhielten die Künstler mit einem Vermerk der Post zurück: "Return to sender".

Umso schöner, dass Samar und Lynn, nun bereits zum dritten Mal, gemeinsam einer Ausstellungseröffnung beiwohnten. Und noch besser: "Die beiden sind inzwischen miteinander wirklich eng befreundet und konnten die Tage in Berlin sehr genießen," so Suzanna Lauterbach gegenüber DW-WORLD. Ihr Projekt "Gelobtes Land" ist neben dem "Pen-Pal-Projekt" derzeit im Libeskind-Bau zu sehen.

Ein Kaleidoskop der Befindlichkeit

Einwegkamera aus Jerusalem
Teil der Ausstellung "Einmalblicke", die bis zum 12.1.2003 im Jüdischen Museum Berlin stattfindet.Bild: Suzanna Lauterbach

"EinmalBlicke" lautet der gemeinsame Titel, unter dem das Jüdische Museum die beiden eigenwilligen Kunstprojekte zusammenfasst. Gemeinsam ist beiden ihr Medium, die Einwegkamera. Auch Suzanna Lauterbach, eine Berliner Künstlerin, drückte nicht selbst auf den Auslöser. Sie überließ es Palästinensern und Israelis aller Altersstufen, ihre eigene Sicht zu bekunden.

Eine Vorgabe hatten ihre Teilnehmer: Zu dokumentieren, was für jeden das "Gelobte Land" ist. Jede Fotografie ist so ein einmaliges, ganz persönliches Bekenntnis, ein "EinmalBlick". Insgesamt betrachtet gestalten die Schnappschüsse ein Kaleidoskop der Befindlichkeit im heutigen Israel.

Zwischen den Ländern

Auch Yirmi aus Tel Aviv und Jeries, Leiter eines Reisebüros aus Ramallah, begegneten sich in Berlin anlässlich der Ausstellungseröffnung - zum ersten Mal. Ihre Bilder über das "Gelobte Land" thematisieren - trotz unterschiedlicher Motive und Perspektive - das Thema des Reisens.

Yirmi fotografierte den Flughafen als "einen Ort zwischen den Ländern", Angelpunkt zwischen Heimat und dem "gelobten Ausland", wie sie es im Begleittext bezeichnete. Für Jeries ist sein Schreibtisch Sinnbild der eingeschränkten Bewegungsfreiheit seiner Landsleute. Ungültige Flugtickets stapeln sich darauf. Oft wird Palästinensern eine Ausreise seitens der Israelis verweigert.

Als Fazit zu ihrem Projekt fasst Suzanna Lauterbach gegenüber DW-WORLD zusammen: "Ein Dialog sollte immer möglich sein. Wer ihn führt, braucht keine Waffen, um Konflikte zu lösen."