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Schneckenplage in Deutschland

Karin Jäger4. September 2014

Überall im Grünen lauern die schleimigen Weichtiere. Besonders schädlich auf die Natur wirkt die Spanische Wegschnecke. Der milde Winter, der feuchte Sommer und die Gewohnheiten des Menschen sind Ursachen für die Plage.

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Nacktschnecke kriecht auf einem Salatblatt (Foto: imago/blickwinkel).
Bild: imago/blickwinkel

Ein hoher Zaun trennt meinen Nachbarn und mich. Daher sehe ich den netten älteren Herrn selten, hörte ihn aber einmal sagen: "Die schmeiße ich da rüber!" Ein Besucher hatte den passionierten Gärtner zuvor gefragt, was er mit den vielen Schnecken in seinem Garten mache. Seither frage ich mich, ob die Viecher, die sich unerkannt an meinen Hortensien verköstigen, vom benachbarten Grundstück stammen? Die Blätter jedenfalls sind löchrig wie ein Schweizer Käse.

Wie viele andere ekle ich mich vor den glitschigen Dingern, obwohl sie für den Menschen ungefährlich sind - sofern man nicht darauf ausrutscht, wie die Zeitungsausträgerin in der Schweiz in diesem Sommer: Frühmorgens tummelten sich auf ihrem Weg so viele Schnecken, dass sie sich nach dem Unfall weigerte, die Morgenpost zu verteilen. Tagsüber sieht man Schnecken eher selten.

Konkurrenz für den Menschen

Bei Einbruch der Dunkelheit kommen sie lautlos angekrochen, um sich mit Kiefer und Raspelzunge ausgestattet, an Nutz-, Zierpflanzen und Kot satt zu fressen. Dann schleichen die Weichtiere über Erde, Asphalt, Kies, Gras und hinterlassen dabei eine Schleimspur. 25 Meter können sie pro Nacht zurücklegen - mehr als das sprichwörtliche Schneckentempo vermuten lässt.

Im Garten finden sich allerhand Exemplare: Rund zwei Zentimeter kurze Schwarze, kleine Helle mit Gehäuse, gepunktete und orangefarbene Schnecken. Bis zu zehn Zentimeter lang werden einige Exemplare von ihnen. Wohl fühlen sie sich auf feuchtem Boden, die Trockenheit dagegen ist ihr größter Feind. Vollrath Wiese, Vorsitzender der Deutschen Malakozoologischen Gesellschaft (Weichtierkunde) weiß von 120.000 Schneckenarten.

Spanische Wegschnecke (Foto: imago/blickwinkel).
Spanische Wegschnecke auf BeutezugBild: imago/blickwinkel

Seit 40 Jahren beschäftigt sich der Biologe mit Weichtieren (Mollusken) und sammelt die kalkhaltigen Gehäuse, die man Millionen Jahre nach dem Tod der Schnecke noch finden kann. In Cismar betreibt er mit seiner Familie ein Museum. Die Spanische Wegschnecke mag er nicht, "weil sie frisst, was der Mensch auch mag - und wegen ihrer Optik".

Problemfall "Spanische Wegschnecke"

Optisch unterscheidet sich der spanische Einwanderer kaum von der heimischen Wegschnecke. "Zur Unterscheidung müsste man ihre Fortpflanzungsorgane untersuchen", sagt Vollrath Wiese. Sie können sich sogar miteinander paaren. "Die balzen umeinander, kriechen umeinander herum, küssen sich und sondern Pheromone ab - Duftstoffe, die den potentialen Sexualpartner anlocken sollen." Spanische Wegschnecken sind Zwitter, die sich gegenseitig befruchten. Schon einige Tage bis Wochen später legen sie unabhängig voneinander 200 bis 400 Eier ab. Die Jungtiere schlüpfen zweimal pro Jahr - im Herbst und im zeitigen Frühjahr.

Ob die Arion vulgaris, so ihr wissenschaftlicher Name, tatsächlich durch Gemüse-Importe von der Iberischen Halbinsel eingeschleppt wurde, ist nicht sicher. Sie war in Westfrankreich bekannt, und in den 1970er eroberte sie Mitteleuropa und das südliche Skandinavien, wo sie seither massive Schäden verursacht. In Großbritannien wurden im regenreichen Sommer 2007 bis zu 1000 dieser Nacktschnecken pro Quadratmeter gezählt, die so heißen, weil sie kein Haus herumtragen. Im Laufe der Evolution haben Schneckenarten ihr Gehäuse reduziert, sagt Vollrath Wiese: "Auch Nacktschnecken haben noch Reste ihres Hauses, das ist aber als Kalkkrümel oder Kalkplättchen unter der Haut verborgen." Eine Anpassung, um als Schnecke in kleine Hohlräume zu kriegen und dort auch zu überwintern. "Die größte einheimische Gehäuseschneckenart, die Weinbergschnecke, kann sogar 35 Jahre alt werden", erklärt Wiese. Diese Art steht sogar unter Naturschutz, weil sie vom Aussterben bedroht ist.

Vollrath Wiese mit Schneckenblasinstrument (Foto: privat).
Vollrath Wiese mit einem SchneckenblasinstrumentBild: privat

Zu Wasser und an Land

Ursprünglich lebten Schnecken im Wasser. Besonders Meeresschnecken haben es dem Wissenschaftler Wiese angetan: "Es gibt ganz faszinierende Arten. So fantasievoll wie die Namen sind auch die Gehäuse." Und die Namen: Venuskamm, Sonnenuhrschnecke, bauchige Windelschnecke oder Bienenkörbchen.

Die Weinbergschnecke mit Gehäuse und der ebenfalls in Europa heimische gepunktete Tigerschnegel leben als Nützlinge in Gärten, wo sie welke Pflanzenteile und andere Schnecken sowie deren Gelege fressen. Einige Arten wie die Weinbergschnecke sind essbar. Um die schädlichen Wegschnecken machen sogar Igel einen Bogen, weil sie stark schleimen und bitter schmecken (sollen).

Schnecken im Haus der Natur (Foto: Foto: Haus der Natur, Cismar/ Vollrath Wiese).
Schneckengehäuse: Die Vielfalt kennt keine GrenzenBild: Haus der Natur, Cismar/Vollrath Wiese

Mensch als Verursacher

Der Mensch habe zur Schneckenplage beigetragen, beklagt Rudolf Kring, weil er natürlich Feinde der Pflanzenschädlinge vertrieben habe: "Zum einen sind Hühner, Enten, Gänse, die in den Dörfern früher überall frei rumliefen, verschwunden. Zum anderen halten immer mehr Leute Hunde und Katzen. Die verschrecken Schnecken vertilgende Vögel, Blindschleichen und Eidechsen." Der ehemalige Landwirt Rudolf Kring und sein Sohn Friedhelm, ein Biologe, haben das Buch "Schnecken - Ursachen und Bekämpfung der Schneckenplage" geschrieben. Zuverlässige Schneckenverzehrer sind Indische Laufenten mit einem sehr aufrechten Gang. Züchter vermieten Tiere an Gartenbesitzer, die auf Dauer keine Enten oder Hühner halten wollen.

Mittel gegen die Plagegeister

Es gibt verschiedene Mittel und Methoden, gegen die Schneckenplage vorzugehen. Pflanzenschutzmittel, die gegen Schnecken wirken, aber den Wirkstoff Methiocarb enthalten, dürfen aber nach dem 19. September 2014 nicht mehr verkauft werden. Methiocarb ist ein starkes Nervengift.

Es wirkt toxisch auf Bodenorganismen, wie Regenwürmer, Vögel, Bienen und andere Nützlinge, aber auch auf Hunde und Katzen kann es tödlich wirken. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit hat die Zulassung widerrufen und folgt damit einer Richtlinie der EU. Ganz brutal ist der Tod durch Salz. Da Schnecken aus Eiweiß und Wasser bestehen, entzieht das Salz ihnen Flüssigkeit. Sie trocknen aus. Am günstigsten ist es, die Schnecken abzusammeln und an anderer Stelle wieder auszusetzen. Nicht unbedingt beim Nachbarn. Die Plagegeister könnten von dort auch zurückfinden.