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Schnelle Eingreiftruppe der NATO ist bereit

Bernd Riegert, Brüssel15. Oktober 2003

Die neue schnelle Eingreiftruppe der NATO ist dienstbereit. Sie soll überall dort agieren, wo die NATO eine Bedrohung ausmacht. Die USA wollen die Einheit auch im Kampf gegen Terrorismus einsetzen.

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Der alte NATO-Chef George Robertson (r.) und sein Nachfolger Jaap de Hoop SchefferBild: AP

Im niederländischen Brunssum hat am Mittwoch (15.10.2003) die erste Einheit der NATO-Reaktionskräfte (NATO Reaction Force, NRF) bei einer feierlichen Zeremonie ihren Dienst angetreten. In sieben Stufen soll die Eingreiftruppe des transatlantischen Militärbündnisses bis Oktober 2006 auf rund 21.000 Soldaten anwachsen. Die Bundeswehr wird dann etwa 5000 Soldaten der Reaktionstruppe unterstellen. Weitere große Kontingente werden aus Frankreich und den USA kommen.

Keine Papierarmee

Anfang Oktober 2003 hatte der scheidende NATO-Generalsekretär George Robertson den Verteidigungsministern der Bündnisländer bei ihrem Treffen in Colorado Springs noch zugerufen: "Wir brauchen einsetzbare Soldaten und keine Papierarmeen." Die Einrichtung der Reaktionskräfte ist der erste Schritt hin zu flexiblen, kurzfristig weltweit einsetzbaren Einheiten.

Insgesamt haben die europäischen NATO-Partner rund 1,4 Millionen Männer und Frauen unter Waffen, aber nur 55.000 sind derzeit tatsächlich im Ausland im Einsatz. Trotzdem klagen die NATO-Staaten, darunter auch Deutschland, über eine Überlastung. Dieses Missverhältnis müsse geändert werden, so Robertson.

Leicht verlegbare Einheiten

Das hatte bereits der NATO-Gipfel im Herbst 2002 in Prag beschlossen und die Aufstellung der Eingreiftruppe als Kern einer neuen NATO-Militärstruktur in Auftrag gegeben. Praktisch bedeutet das für die Mitgliedsstaaten, sie brauchen besser ausgerüstete und ausgebildete Soldaten und leicht verlegbare Einheiten, dafür aber insgesamt weniger.

Die Idee zur NATO-Reaktionstruppe reklamiert US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld für sich. Nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 und dem Krieg in Afghanistan drängen die USA massiv darauf, die NATO vom klassischen Verteidigungsbündnis zu einer Allzweckwaffe gegen Terroristen, verbrecherische Regime und scheiternde Staaten umzubauen.

Komplexes Rotationsverfahren

Die NATO-Reaktionsarmee soll innerhalb von fünf Tagen einsatzbereit sein und einen Monat lang ohne Hilfe von außen kämpfen können. Die NRF besteht aus bereits vorhandenen Truppenteilen, die nach einem komplexen Rotationsverfahren jeweils der NRF unterstellt werden. Dabei werden sich die Einheiten sechs Monate mit Ausbildung und Manövern auf die Zuordnung zur NRF vorbereiten, sechs Monate aktiv zur Verfügung stehen und weitere sechs Monate nachbereiten. Jede Rotation dauert also 18 Monate.

Als erste größere deutsche Einheiten sind in einem Jahr Tornado-Kampfflugzeuge, Minenräumgeschwader und Abwehreinheiten für atomare, bakterielle und chemische Waffen (ABC-Waffen) gemeldet. Das erste Kommando übernimmt der britische General Jack Deverell. Ihm folgt ein US-Admiral, bevor dann das neue Hauptquartier in Portugal das Kommando übernimmt.

Keine Einigkeit über Grundsätze

Wie ein möglicher Einsatz der Eingreiftruppe aussehen könnte, haben die NATO-Verteidigungsminister in der US-Stadt Colorado Springs durchgespielt. Viele sträubten sich gegen das Planspiel, mit dem die USA den Ministern die Ausbildungs- und Ausrüstungsdefizite ihre Armeen deutlich vor Augen führten. Gerade bei der Mobilität und der Fähigkeit, gemeinsam kurzfristig zu handeln, hapert es noch.

Wirkliche Einigkeit über Einsatzgrundsätze für die Reaktionskräfte gibt es in der NATO noch nicht. Die USA drängen darauf, die neue NATO-Truppe bei künftigen Krisen und Kriegen zu nutzen, die mit Afghanistan oder dem Irak vergleichbar sind. Zurückhaltendere NATO-Staaten rechnen eher mit Geiselbefreiungen oder humanitären Einsätzen.

Heftig gestritten wird über die Frage, ob die NRF auch "vorbeugend" tätig werden soll, wie es die geltende amerikanische Doktrin vorsieht. Deutschland lehnt das bislang ab. Damit die NRF ihre Kasernen wirklich verlassen kann, müssten alle NATO-Staaten, ab Mai 2004 mit den neuen Mitgliedsländern 26 an der Zahl, zustimmen.