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Schneller als 50.000 PCs

Das Interview führte Judith Hartl26. Mai 2009

Im Forschungszentrum Jülich wurde der erste "Peta-Computer" eingeweiht. Ein gigantischer Rechner, einzigartig in Europa. Ein Interview mit Thomas Lippert, dem Direktor des Jülich Supercomputing Centre (JSC).

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Prof. Thomas Lippert, Leiter des Jülich Supercomputing Centre (Foto: Forschungszentrum Jülich)
Prof. Thomas Lippert vor den Jugene-SchränkenBild: AP

DW-WORLD.DE: Was ist ein "Peta-Computer"?

Thomas Lippert, Leiter des Jülich Supercomputing-Centre: Ein Peta-Computer ist ein Super-Computer, der in der Lage ist, eine Billiarde (eine Million Milliarden) Rechenoperationen pro Sekunde durchzuführen.

Das kann man sich nicht mehr wirklich vorstellen. Geben Sie uns ein paar Vergleiche ....

Ein direkter Vergleich ist schwierig weil die Zahlen so groß sind. Aber Sie können sich vorstellen, dass sie etwa 50.000 PCs sehr eng zusammenschalten müssten, um diese Leistung zu erreichen.

72 telefonzellengroße Schränke braucht der neue Peta-Computer (Foto: Forschungszenrum Jülich)
Der Peta-Computer ist in 72 telefonzellengroßen Schränken untergebrachtBild: Forschungszentrum Jülich

Und um wie viel leistungsfähiger ist der neue Super-Rechner, im Vergleich zu Jugene, der ja auch bei Ihnen steht und bislang der schnellste Computer Europas war ?

Also, die neue Maschine ist sozusagen eine Erweiterung von Jugene. Jugene wurde um einen Faktor fünf bis sechs vergrößert.

Das heißt, Jugene wurde nicht verschrottet und der neue Peta-Computer soll nun auch Jugene heißen?

Genau. Denn der "alte" Jugene wurde umgebaut. Er bekam unter anderem eine neue Kühlung - eine Wasserkühlung. Sie werden es nicht glauben aber da werden Schränke eingebaut, die direkt mit Wasser gekühlt werden und durch die die Luft der Prozessoren durchgeleitet wird. Dabei fließt das Wasser wie beim Autokühler durch Kühlrippen, die Luft wird durch diese Kühlrippen geleitet und dann geht das Wasser in den Keller - über Rohre in unsere Außenkühlanlage und schließlich kommt es wieder zurück- das ist ein riesiges System.

20 Kilometer Datenkabel wurden verlegt... (Foto: FOrschungszentrum Jülich)
20 Kilometer Datenkabel wurden verlegt...Bild: Forschungszentrum Jülich

Es gibt also keinen Super-Computer, der ganz und gar ohne Kühlung funktioniert?

Nein, das gibt es überhaupt nicht. Die hohe Prozessorleistung erkauft man sich natürlich auch mit dem Erzeugen von Wärme.

Wie viele Prozessoren sind das beim neuen Super-Computer?

In diesem Gerät sind es ungefähr 73.000 Prozessoren, jeder Prozessor besteht aus vier Kernen. Das sind dann insgesamt etwa 295.000.

Steht der Peta-Computer komplett in Jülich?

Ja, die ganze Maschine steht kompakt an einer Stelle in Jülich. Denn wenn Sie sie aufteilen würden, käme das Problem ins Spiel, dass die Elektrizität, die Sie brauchen, um Informationen auszutauschen, eine gewisse Laufzeit hätte. Und die Laufzeit wäre dann so groß, dass die Prozessoren zwischenzeitlich nicht wüssten, was sie tun sollen. Deswegen muss man sie eng zusammenpacken und den Computer kompakt an einer Stelle aufbauen.

Macht es denn eigentlich noch einen großen Unterschied in der Leistung - ob man mit dem "alten" Jugene rechnet oder mit dem neuen Peta-Jugene?

Klar! Sie können eine wesentlich höhere Leistung auf ein Problem ansetzen. Ein Problem, das Sie sonst so in fünf Monaten rechnen konnten, rechnen Sie mit dem neuen Super-Computer in einem Monat, beziehungsweise Sie können fünf Mal so viele Projekte behandeln. Insofern stellt das natürlich einen enormen Fortschritt dar.

Durch diese Rohre läuft das Kühlwasser für Jugene(Foto: Forschungszentrum Jülich)
Durch diese Rohre läuft das Kühlwasser für JugeneBild: Forschungszentrum Jülich

Entscheiden Sie, wer mit ihrer Maschine arbeiten darf und wer nicht?

Nein (lacht).... Wir arbeiten sehr eng mit der Wissenschaft zusammen und sind verantwortlich für die Bereitstellung der Maschine, der Software, der gesamten mathematischen und computertechnischen Grundlagen. Die eigentliche Rechenzeit-Vergabe geschieht über die Wissenschaft selbst. Über ein so genanntes "peer-review-system". Das bedeutet, dass herausragende Vertreter verschiedener Wissenschaftsbereiche und internationale Gutachter die Rechenzeit-Anträge bewerten und über die Rechenzeit-Vergabe entscheiden.

Welche Wissenschaftler kommen zu Ihnen und was möchten die tun?

Das ist ganz vielfältig, was hier gerechnet wird. Das reicht von Nanotechnologie, Nanoelektronik, von der Materialwissenschaft über biologische Geschichten bis hin zu den Ingenieurswissenschaften. Auch die Grundlagenforscher arbeiten mit dem Super-Computer. Also beispielsweise Teilchenphysiker, Elementarteilchenphysiker oder Astronomen. Wenn Sie zum Beispiel wissen wollen, wie sich aus dem ursprünglichen Mikrowellenhintergrund die Galaxien entwickelt haben - solche Dinge werden hier bei uns unter anderem simuliert.

Computer-Techniker verkabeln den Petaflop-Computer Jugene (Foto: Forschungszentrum Jülich)
... in monatelanger Sisiphus-ArbeitBild: Forschungszentrum Jülich

Und die Nachfrage ist groß?

Sehr groß. Wir haben eine Überbuchung von Anträgen, die wir gerne genehmigen würden, um den Faktor fünf bis zehn.

Herr Lippert, ist es denn Ihr großes Ziel, Jülich in Europa zur unangefochtenen Nummer eins zu machen in Sachen Super-Computer?

Nein, es geht nicht darum, die Nummer eins in Sachen Großcomputer zu sein. Es geht darum, die optimalen Bedingungen für die Wissenschaft zu schaffen, da die Überbuchung momentan gravierend ist und die Nachfrage nach Rechenkapazität von Seiten der Wissenschaft enorm ist. Der entscheidende Punkt dabei ist: wir haben in den letzten Jahren durch diese Rechner viele hochinteressanten wissenschaftlichen Veröffentlichungen mit gefördert, Veröffentlichungen, die in "Science" oder "Nature" erschienen sind.

In der Computerentwicklung geht es Ruck-Zuck - auch, dass Rechner wieder veraltet sind. Wo geht es eigentlich hin? Haben wir in einem Jahr zwei Billiarden Rechenoperationen pro Sekunde?

Das werden wir schon haben in ein, zwei Jahren. Der entscheidende Punkt aber ist, dass dies heutzutage nur erreicht werden kann, indem man immer mehr Prozessoren, beziehungsweise Computerkerne, zusammenbringt. Und es wird immer schwieriger, diese zu koordinieren. Das wird eine entscheidende Aufgabe für uns in den Computerzentren sein.

Aluminiumkabel (Foto: Forschungszentrum Jülich)
Bild: Forschungszentrum Jülich

Wird denn irgendwann so ein Super-Computer schneller rechnen als das menschliche Gehirn?

Das kann schon sein, nur verarbeitet das menschliche Gehirn Daten anders als ein Computer. Ich denke, dass die Geheimnisse, wie das Gehirn funktioniert letztendlich über die Super-Computer erforscht werden können. Dazu gibt es schon jetzt interessante Projekte.

Herr Lippert, wo liegen die technischen Grenzen bei solchen Super-Computern?

Die Grenzen der momentanen Technik sind durch den Energieverbrauch gegeben. Also wenn Sie heute diesen Rechner, den wir installieren, betreiben, kostet der etwa zwei Millionen Euro Energie im Jahr. Aber verglichen mit der Leistung, die dieser Rechner bringt, sind das die geringst möglichen Kosten. Insofern ist es ein recht effizientes System. Nur weitergehen wollen wir nicht. Jülich hat es sich auf die Fahnen geschrieben, möglichst energiesparende Systeme aufzustellen und diese Sache nicht zu übertreiben. Das heißt im Klartext - es wird in Zukunft vor allem darum gehen, den Energieverbrauch die Prozessoren oder der Computerkerne immer weiter zu senken.