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Tagebuch aus Erbil

21. November 2011

Sie ist schon ziemlich viel herumgekommen in der Welt – Hotelmanagerin und Restaurantfachfrau war die Journalistin aber noch nie. Und das auch noch im Nordirak. Für Doris Bulau ein Abenteuer der besonderen Art.

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Majidi Mall in Erbil, Irak (Foto: Friederike Ott)
Bild: Friederike Ott

Um 9.30 Uhr klingelt mein Wecker, raus aus dem Bett, ins eiskalte Badezimmer zum Duschen. Das Badezimmer teile ich mir mit Ramona, der Köchin vom "Deutschen Hof". Sie stammt aus Leipzig und ärgert sich jeden Morgen über die feuchten Rinnsale, die sich am Abfluss treffen. Dann sagt sie sarkastisch: "Hier laufen Euphrat und Tigris zusammen". Um 10.00 Uhr Frühstück im Restaurant, mit dem ganzen Team. Bei Rührei und Fladenbrot, Tee und Kaffee wird der Tagesplan entworfen. Was machen wir heute Mittag? Was gibt es noch im Kühlschrank oder was ist noch eingefroren? Sind genug Vorräte da? Muss noch was eingekauft werden? Küchenchef Fadi will frisches Gulasch machen, Ramona ihre berühmten Semmelknödel, Rico kümmert sich um die Schnitzel.

Rühren, schnippeln, raspeln

Gegen 11.00 Uhr steht der Küchenplan, aber ein Küchenhelfer ist nicht gekommen. Ich springe ein, denn für heute Abend hat sich ein Firmenteam mit fünfzehn Mitarbeitern angemeldet. Fadi macht seine Liste. Delon, der Restaurantchef kontrolliert die Bar – sind ausreichend Biervorräte vorhanden? Eine wichtige Frage! Die Küchenschlacht beginnt.

Ich pelle kiloweise Kartoffeln – für Püree, für die Bratpfanne, schäle Zwiebeln, raspele Weißkohl und Möhren, ordere vierzig Eier für die Panade der "Wiener Schnitzel" – die hier allerdings aus Kostengründen aus Hähnchenbrust gemacht werden. Und denke zwischendurch: Das ist ja fast wie zu Hause. Nur die Mengen sind andere! Reis kocht, Spaghetti kochen und Fadi rührt den Teig für die hausgemachten Spätzle an. Im Radio läuft gerade ein Song von Shakira und alle wippen mit. Die Stimmung ist gut. Mittlerweile ist es 13.00 Uhr. Roy aus Thailand steht an der Spüle und muss Berge von schmutzigen Töpfen und Schüsseln abwaschen, die Spülmaschinen füllen. Denn gleich soll die Küche fertig sein. Mittags ist hier im Winter nichts los, aber um 14.00 Uhr haben wir alles für das Abendgeschäft vorbereitet.

(Foto: Doris Bulau)
In der Küche gibt es immer viel zu tunBild: Doris Bulau

Shoppen, bummeln, staunen

Mittagspause! Vielleicht ein Besuch in der Shopping-Mall? Eis essen? Latte Macchiato trinken? Bummeln? Noch ein Paar Turnschuhe kaufen? Mal raus aus der Küche, Leute beobachten und vor allem nicht frieren. Denn in Erbil beginnt der Winter, es ist ziemlich kalt und die Malls sind wunderbar temperiert. Ich bestaune immer wieder die üppigen Hochzeitsgewänder in den Schaufenstern. Doch viel Zeit bleibt uns nicht. Wir müssen zurück. Die Küche wartet. The show must go on! Masud aus Bangladesch faltet schon die Servietten und kümmert sich um saubere Tischdecken, stellt die Stühle ordentlich hin. Ismael wischt noch mal den Boden. Wir sind bereit.

Spülen, räumen, putzen

Um 18.30 Uhr kommen die Gäste, um 20.00 Uhr ist der Laden rappelvoll. Mehr als fünfzig Leute sind da, nicht alle zum Essen, einige kommen auch nur auf ein kaltes Weizenbier. Das Küchenteam ist eingespielt und läuft auf Hochtouren. Meine Mitarbeit beschränkt sich jetzt auf das Dekorieren der Teller, Petersilie hacken und gebrauchtes Geschirr in die Spüle stellen. So gegen 22.00 Uhr ist der Stress fast vorbei. Außer Getränken wird nichts mehr bestellt. Wir fallen auf die Stühle. Der Rest läuft jetzt ruhiger. Die Küche wird bereits geputzt und wir gönnen uns ein Kaltgetränk. Die letzten trinkfesten Gäste werden noch bedient. Um 23.00 Uhr falle ich ins Bett und habe das Gefühl, ich rieche, als wäre ich in eine Friteuse gefallen. Vor dem Einschlafen denke ich noch darüber nach: Küchenjob ist ein wirklich harter Job, mir tut der Rücken weh, die Füße schmerzen. Und ich falle in einen Tiefschlaf.

Die deutsche Journalistin Doris Bulau (Foto: Doris Bulau)
Bild: Doris Bulau

Was mich hierher nach Erbil verschlagen hat? Eigentlich wohne ich ja schon ziemlich nahe dran, in Amman nämlich. Von hier sind es nur eineinhalb Flugstunden in den Nordirak. Früher habe ich in bequemen Büros und schönen Studios gesessen und als Journalistin gearbeitet. In Köln – noch vor drei Jahren. Eine andere Ära, so kommt es mir vor. Jetzt lebe ich zusammen mit meinem Mann in der jordanischen Hauptstadt und bin, was man so schön "mitreisende Ehefrau" nennt. Auch nicht ganz einfach. Da hat mich die Herausforderung gelockt! Ein ganz anderer Job, eine andere Kultur, ein anderes Leben. Wenn auch nur für ein paar Wochen.

Ich bin gespannt, was und wer mir hier so begegnet. Im "Deutschen Hof", in der Küche, im Restaurant – und draußen auf den Straßen.

Autorin: Doris Bulau
Redaktion: Cornelia Rabitz