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Schröder contra "Bild"

Marcel Fürstenau5. März 2004

Der Bundeskanzler fühlt sich von der "Bild"-Zeitung unfair behandelt. Darum schneidet er das Blatt. Ob das der richtige Weg zu besseren Schlagzeilen ist?

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Wir leben in einer Medien-Demokratie. Das hat dazu geführt, dass Politik heutzutage mehr in TV-Studios und Zeitungs-Redaktionen gemacht wird als im Parlament. Wer also was zu sagen hat, der sieht zu, sich ins rechte (Scheinwerfer)licht zu rücken. Je häufiger einer Gast in einer Talk-Show ist, desto wichtiger scheint er zu sein. Nicht im Fernsehen präsent zu sein, bedeutet, politisch nicht zu existieren. Im Zeitungsbereich, könnte man meinen, spielt das keine ganz so große Rolle. Mit zwei Ausnahmen: eine davon ist die "Bild"-Zeitung. Die heißt nicht umsonst so. Was in "Bild" steht, bewegt die Menschen. Sich mit "Bild" anzulegen ist mutig – und riskant. Denn diese schrille Gazette nimmt nicht nur Stimmungen auf, sie macht auch selber Stimmung.

Stimmungsmache(r)

Das fand Bundeskanzler Gerhard Schröder so lange toll, wie das Boulevard-Blatt aus dem Verlagshaus Springer einigermaßen pfleglich mit ihm umsprang. Das ist aus seiner Sicht nun vorbei. Seit sich der so oft als Medien-Kanzler titulierte Regierungschef mit dem Umbau der Sozial- und Sicherungssysteme unter dem Namen "Agenda 2010" verhoben hat, fühlt er sich von dem Boulevard-Blatt schlecht behandelt. Dabei tun die Macher von "Bild" nur das, was ihr Job ist: dem Volk aufs Maul schauen. Und Volkes Stimme ist gnadenlos; die Regierung Schröder bekommt für ihre Reform-Politik miserable Noten.

Der beleidigte Kanzler empfindet die Berichterstattung als eine "Mischung aus Häme, aus Hetz, aus Verächtlichmachung". So begründete Regierungssprecher Bela Anda den vor kurzem verkündeten Interview-Boykott Schröders gegenüber der "Bild"-Zeitung. Das Pikante daran ist, dass des Kanzlers Chef-Verkäufer früher selber bei dem nun ach so fiesen Revolver-Blatt Redakteur war. So können sich mit dem Seiten-Wechsel auch die Ansichten ändern.

Vorbild Kohl

Mal sehen, wie lange Schröder den "Bild"-Boykott durchhält. Gegen eine Auflage von vier Millionen und noch viel mehr tägliche Leser anzustinken, ist nicht leicht. Wie der Kanzler das am besten durchsteht, könnte ihm sein Vorgänger Helmut Kohl verraten. Der hat sich bis zuletzt geweigert, sich mit dem anderen wichtigen Meinungsmacher zu unterhalten: dem "Spiegel". Viele glaubten damals, das müsse schief gehen. Die Skeptiker haben sich geirrt: Kohl blieb 16 Jahre Kanzler. Schröder hat erst sechs hinter sich ...