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Schröders Rückzug auf Raten

Judith Hartl13. Oktober 2005

Der Abschied aus der Regierung fiel Bundeskanzler Gerhard Schröder sichtlich schwer. Dass er eines Tages die Rückkehr auf die politische Bühne sucht, ist keineswegs ausgeschlossen, meint Judith Hartl in ihrem Kommentar.

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Die Bühne für den Abgang war gut gewählt. Nicht Berlin, sondern seine Heimatstadt Hannover, keine zehn Minuten Gehweg von zuhause. Nicht nur deswegen ein Heimspiel. Auch auf sein Publikum konnte Gerhard Schröder sich verlassen: Jubelnde Funktionäre der IG Bergbau Chemie und Energie. Es war jene Gewerkschaft, die Schröder auch in seinen schwersten Zeiten, nämlich während der Protestmonate gegen Hartz IV die Treue hielt.

Man hatte den Eindruck, nur hier, in diesem kuscheligen Umfeld war es ihm möglich, jene Worte auszusprechen, die ihm bis dahin einfach nicht über die Lippen kommen wollten: Dass er der nächsten Bundesregierung nicht mehr angehören werde. Und das definitiv. Tränen standen in seinen Augen. Schröder rang um Fassung. Es war der Moment des Abschied Nehmens, der Schröder unendlich schwer fällt, wahrscheinlich sehr viel schwerer als er selber es vermutet hatte.

Staatsmann statt Krawallo

Schritt für Schritt ging er diesen Abschied. Immer wieder in den letzten Wochen indirekte Hinweise auf seinen eventuellen Rückzug. Die Partei müsse das entscheiden. Nur weg mit der Last, es selber zu tun. Jetzt blieb ihm nichts anderes mehr übrig. Und er tat es letztendlich mit Stil. Wieder ganz der Staatsmann Schröder, nicht mehr der Krawallo, der die Republik am Wahlabend mit Sprüchen entsetzte wie: Die Wahl zeige eines - nämlich, dass nur er, ja nur er und sonst niemand, in der Lage sei, in Deutschland eine stabile Regierung zu stellen. Und dass er natürlich Bundeskanzler bleiben werde. Denn er habe zwar verloren aber so stark aufgeholt, wie das niemand erwartet hatte.

Schröder schien auf seinem Stuhl zu kleben, störrisch, stur und fern von jeglicher Realität. Und schien sich mehr und mehr der selbstherrlichen Art eines Alt-Bundeskanzlers Helmut Kohl anzunähern. Aber Gerhard Schröder hat noch mal die Kurve gekriegt. Und hat in letzter Minute seine Glaubwürdigkeit und auch seine Würde wiedergewonnen.

Seine Partei hat sich mit ihm versöhnt

Vielleicht ist es ihm letztendlich auch deswegen leichter gefallen, seinen Hut zu nehmen, weil er spürte, dass sich seine Partei mit ihm versöhnt hat und umgekehrt. In einem Mega-Kraftakt und mit unglaublich viel Gespür hat er im Wahlkampf viele schon verloren geglaubte SPD-Wähler zurückgeholt. Er hat sich so stark wie selten gemacht für die Seele der SPD - für soziale Gerechtigkeit und Solidarität. Dafür gekämpft wie ein Löwe, worüber er sonst oft nur müde gelächelt und als überholt und als nicht mehr zeitgemäß verspottet hat. Er stand lange auf Kriegsfuß mit seiner Partei. Schröder mochte sie nicht so recht und er war der SPD von Anfang an nicht geheuer.

Und plötzlich, am Ende seiner Laufbahn, steht die Partei so geschlossen hinter ihm, wie selten. Und Schröder sagte in Hannover sichtlich bewegt: "Ich möchte gerne unter euch bleiben, ich weiß, wo ich herkomme und ich weiß, wo ich hingehöre". Doch Vorsicht vor zuviel der Abschiedstrauer. Denn Gerhard Schröder ist so ziemlich alles zuzutrauen. Auch, dass er irgendwie doch zurückkommt auf die politische Bühne und ganz da oben wieder mitmischt. In welcher Funktion auch immer.