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Schröders schwerer Gang

Silke Ballweg, zurzeit Bochum18. November 2003

Auf dem Bundesparteitag der Sozialdemokraten in Bochum muss der Kanzler einen Spagat hinlegen: Er muss die SPD hinter sich bringen - aber auch die Sozialreformen verteidigen.

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Bundeskanzler Schröder in BochumBild: AP

Eine Signalwirkung müsse von diesem Parteitag ausgehen, darauf hatte Bundeskanzler Schröder noch am Sonntag (16.11.) seine Parteikollegen eingeschworen. Denn nur wenn die Partei die miese Stimmung überwindet, kommt sie aus dem Umfragetief wieder heraus. Auf dem Bundesparteitag erinnerte Schröder die Genossen an die Erfolge seiner Regierung: Familienpolitik, Atomausstieg und natürlich Deutschlands Kritik an einem Militärschlag gegen den Irak. Mit der Friedenspolitik, das wusste der Kanzler, konnte er werben. Doch er machte auch deutlich: nur ein wirtschaftlich starkes Land würde innerhalb der internationalen Gemeinschaft Gehör finden. Und auch deshalb sei es unerlässlich, dass sich Deutschland modernisiere und den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen stelle.

Reformen und Solidarität

Seit Jahren verändert sich die Bevölkerungsstruktur in Deutschland. Immer mehr ältere Menschen stehen immer weniger Jungen gegenüber. Das belastet die Rentenkassen und die Krankenversicherungen. Unter diesen Bedingungen - das machte Schröder deutlich - gebe es schlichtweg keine Alternative: der Sozialstaat müsse reformiert werden. Und da seien die Ideen der Sozialdemokraten noch weit gerechter als die der Opposition. Gleichzeitig versicherte der Kanzler den Skeptikern aber auch, dass er sich programmatisch nicht von seiner Partei verabschiede: "Wenn wir Solidarität in unserer Gesellschaft wollen - und die SPD will das - dann ist Solidarität immer beides: Die Verantwortung der Gemeinschaft für den Einzelnen, aber auch die Verpflichtung des Einzelnen gegenüber der Gemeinschaft."

Es sei eine sozialdemokratische Tradition, so Schröder weiter, sich Neuem nicht zu verschließen, sondern den erforderlichen Aufgaben zu begegnen und sie zu bewältigen: "Sozialdemokratische Gestaltungspolitik gibt es nur, wenn wir Sozialdemokraten Regierungsverantwortung haben. Und Regierungsverantwortung, die trägt nicht der Bundeskanzler oder die Bundesregierung allein, sondern es ist die Partei, und die muss das auch wollen."

Positive Reaktionen und Wiederwahl

Die Delegierten spendeten Schröder schließlich minutenlangen Beifall. Das bedeutet freilich nicht, dass er in der Debatte über seine Rede nicht auch Kritik gehört hätte. Die SPD-Linke Andrea Nahles sagte etwa, die SPD sei in der Reformdebatte als "Partei der Einschnitte" aufgetreten und habe nicht ausreichend deutlich gemacht, warum und wozu der Umbau des Sozialstaates notwendig sei. Der niedersächsische SPD-Fraktionschef Sigmar Gabriel forderte, die SPD müsse zeigen, dass sie die Bürger mit ihren Alltagssorgen nicht allein lässt. Und der Sprecher des Arbeitnehmerflügels, Ottmar Schreiner, warnte vor einer "Amerikanisierung" auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Zwar zähle Deutschland insgesamt zu den Gewinnern des Globalisierungsprozesses. In der Gesellschaft gebe es mittlerweile aber auch zahlreiche Globalisierungsverlierer. Notwendig seien deshalb vor allem Investitionen in Bildung, Qualifizierung und Weiterbildung, mahnte Schreiner. Andernfalls drohe "ein tiefer Graben" in der Gesellschaft.

Gleichwohl, viele Delegierte äußerten sich - auch am Rande der Diskussion - günstig über Schröders Rede: sie sei positiv und überzeugend gewesen. Eine erste Hürde hatte der Kanzler damit genommen. Und die zweite folgte sogleich: Gut 80 Prozent der 515 Delegierten bestätigten Gerhard Schröder in seinem Amt als Parteivorsitzender - acht Prozent weniger zwar als vor zwei Jahren, aber, wie der Kanzler meinte, "ein ehrliches Ergebnis".