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Schröders wichtigste Baustelle verwaist

Wolter von Tiesenhausen, Berlin 26. Januar 2004

Die Bundesregierung entließ den Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Florian Gerster, vorzeitig aus seinem Amt. Ein empfindlicher Dämpfer für die Bemühungen um eine Reform der Arbeitsverwaltung.

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Vor nicht ganz zwei Jahren hat Bundeskanzler Gerhard Schröder Florian Gerster zum Chef der Arbeitsverwaltung bestellt. Nach Gersters eigenen Worten warb Schröder ihn damals mit dem Hinweis, die Neuordnung des Arbeitsmarktes sei seine wichtigste Baustelle. Dafür brauche er den besten Mann. Jetzt hat der Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit bei nur einer Gegenstimme Florian Gerster das Vertrauen entzogen. Die Bundesregierung hat daraus die Konsequenz gezogen und Gerster entlassen.

Des Kanzlers wichtigste Baustelle ist verwaist. Die Hoffnung, das Problem der über vier Millionen Arbeitslosen durch eine reformierte Arbeitsverwaltung wenigstens in Teilen in den Griff zu bekommen, hat einen deutlichen Dämpfer erhalten. Denn darüber sind sich alle einig: Florian Gerster hat den Reformprozess zügig voran getrieben. Sein Fehler war nicht mangelnde Durchsetzungsfähigkeit, sondern ein allzu großzügiger Umgang mit den Beiträgen der Arbeitslosenversicherung, Unregelmäßigkeiten beim Abschluss von Beraterverträgen und vor allem Ungeschicklichkeiten im Umgang mit jenen Menschen, ohne deren Unterstützung die Reformen nicht umgesetzt werden können.

Gersters von einigen als arrogant empfundene Art, andere spüren zu lassen, dass er sich überlegen fühlt, hat Mitarbeiter, Mitglieder des Verwaltungsrates und auch politische Weggefährten aus der sozialdemokratischen Partei verprellt. Er stolperte, nicht weil sein Verschulden so groß gewesen sei, sondern weil es in der Endphase niemanden mehr gab, der sich für ihn eingesetzt hätte. Auch der Kanzler nicht, der durchaus die Möglichkeit gehabt hätte, den Leiter seiner wichtigsten Baustelle zu halten.

Zwar soll man die Entlassung des Leiters einer nachgeordneten Bundesbehörde nicht überbewerten, dennoch zeigt der Vorgang, wie dünn die Personaldecke dieser Bundesregierung geworden ist. Von Gerster hat man sich auf Druck des Verwaltungsrates - dort sitzen Gewerkschaften und Arbeitgeber an einem Tisch - getrennt. Andere Repräsentanten der rot-grünen Administration sind ebenfalls zur Belastung geworden, bleiben aber im Amt.

So Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe, dessen Versagen bei der Einführung eines Mautsystems zu Verlusten in Milliardenhöhe führt. Oder Innenminister Otto Schily, der mit unausgegorenen Umzugsplänen das Bundeskriminalamt verunsichert. Oder Bundesfinanzminister Hans Eichel, der offenbar nicht mehr den Bundeshaushalt im Griff hat und Vorschläge für eine umfassende Steuervereinfachung verweigert. Wo man hinsieht wichtige Baustellen. Doch dem Kanzler gehen ganz offensichtlich die Leute aus.