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Schreckensszenario an der Heimatfront

Jens Krepela7. Oktober 2003

Die USA stecken mitten im Kampf gegen den Terror. Der wird nicht nur im fernen Irak und in Afghanistan gefochten, sondern auch zu Hause zwischen Boston und San Diego.

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Die US-Luftwaffe fliegt nicht nur regelmäßig Patrouille über amerikanischen Großstädten, sie probt auch drei bis vier mal in der Woche ein Horrorszenario: den Abschuss eines entführten Passagierjets. Die Anschläge vom 11. September haben diese Sicherheitslücke im so stolz gepriesenen Verteidigungsnetz der Vereinigten Staaten offenbart. Die soll nun beseitigt werden. Wie sich das so für das US-Militär gehört wird auch hier geklotzt und nicht gekleckert: Geübt wird der Angriff auf einen vollbesetzten Verkehrsjet nicht nur im Simulator, sondern mit richtigen Flugzeugen über den Weiten Kanadas und Alaskas. Die Luftwaffe hat dafür eigens eine zivile Boeing 757 gechartert - kein Problem bei einem Verteidigungshaushalt von schlappen 368 Milliarden Dollar.

Über 1500 Einsätze in den vergangenen zwei Jahren

War die US-Luftabwehr früher eher damit beschäftigt einen Angriff mit Interkontinentalraketen abzuwehren, muss sie sich seit dem 11. September auch darum kümmern, ob der Inlandsflug von Oklahoma City nach Buffalo nicht einen ungewollten Umweg über New York oder eine andere amerikanische Großstadt macht. Im geheimen Kontrollraum der Luftüberwachung in einem Bunker bei Colorado Springs werden alle militärischen und zivilen Luftbewegungen über den USA auf einer großen Leinwand verfolgt und überwacht.

Kommt ein Passagierjet vom Kurs ab, oder schaltet plötzlich sein elektronisches Erkennungssignal, den sogenannten Transponder ab, gilt Alarmstufe eins. Kampfjets steigen auf und begleiten das Flugzeug bis der Vorfall geklärt ist. Und das passiert anscheinend häufiger als man denkt. Über 1500 solcher Einsätze hat die Luftwaffe in den vergangenen zwei Jahren geflogen. Glücklicherweise alle mit einem guten Ausgang. Eine leichte Panikattacke wird es aber bei dem einen oder anderen Passagier schon gegeben haben, wenn im Flugzeugfenster auf einmal ein F-16 Jagdflugzeug auftaucht.

Befehl von US-Präsident Bush

Die Piloten für einen solchen Einsatz werden in langen Gesprächen und Tests ausgewählt. Schließlich verlangt es eine sehr robuste Psyche, um mit einem Knopfdruck Hunderte Unschuldige in den sicheren Tod zu schicken, auch wenn man damit vielleicht anderen Menschen am Boden das Leben rettet. Die US-Militärs nennen das Zögern am Abzug "Trigger Hesitation". Was klingt wie aus einem Lehrbuch für Revolverhelden gilt neuerdings auch für die Kampfpiloten. Im Moment der Entscheidung dürfen sie keine Sekunde verschwenden.

Den Befehl zum Abschuss eines von Selbstmordattentätern entführten Verkehrsflugzeugs erhalten die Piloten von ganz oben. US-Präsident Bush, der Oberkommandierende der US-Streitkräfte, muss die Erlaubnis zum Abschuss erteilen. Den genauen Ablauf der Befehls- und Einsatzkette halten die Militärs geheim, aber General Eberhard, Oberbefehlshaber der US-Luftabwehr, behauptet, die Direktiven für einen solchen Einsatz seien sicher: "Es ist nicht so, dass sich da jemand in den Funkverkehr einschalten kann und sagt: Hey hier spricht der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, schieß das Flugzeug ab!"

Sehr beruhigend, finden Sie nicht ?