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Schrille Dissonanzen in München

Peter Zimmermann21. Mai 2014

Waleri Gergijew hat sich als designierter Chefdirigent der Münchner Philharmoniker in einem offenen Brief an sein Publikum gewandt. Er will die Wogen des Protestes glätten.

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Bei einer Pressekonferenz am 17. Dezember 2013 in München hört Waleri Gergijew mit einer Hand am rechten Ohr sehr konzentriert einer Frage aus dem Publikum zu (Foto: Marc Mueller/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Der enge Putin-Freund war in die Kritik geraten, weil er sich nicht von der Anti-Schwulen Politik des russischen Präsidenten distanziert hatte und auch die russische Annexion der Krim verteidigte. Er sei sich der Größe und Verantwortung seiner Aufgabe bewusst, der Stadt München ihre einzigartige Musikkultur zu erhalten und diese auch der Zukunft zu öffnen, schrieb Gergijew in seiner Stellungnahme. "Ich bin Musiker und Dirigent. Ich bin aber auch Russe und meinem Heimatland eng verbunden." Er habe in Russland die Verantwortung übernommen, als Chef der Mariinsky-Oper in Sankt Petersburg eine lange musikalische Tradition am Blühen zu erhalten.

"Daraus können im Falle politischer Entwicklungen Probleme entstehen, wie wir sie jetzt haben, und in die mich einige verwickelt sehen. Ich gelte in manchen Ländern als Vertreter einer 'anderen' Gesellschaft, die nicht entschieden genug für die Werte und Lebensgrundsätze des Westens stehe und dafür einträte", fuhr Gergijew fort.

"Doch ist das richtig? Gerade unsere russische musikalische Kultur ist seit Michail Glinka europäisch und da vor allem von der deutschen Musikkultur beeinflusst und geprägt."

Ein als Putin verkleideter Demonstrant dirigiert am 18.12.2013 vor der Philharmonie in München neben einem als Gergijew verkleideten Demonstranten (Foto: picture-alliance/dpa)
Protest gegen die Anti-Schwulen-Politik PutinsBild: picture-alliance/dpa

Andere Prinzipien

Dieser deutsche Einfluss sei vielen Menschen in Russland sehr bewusst, behauptet Gergijew. "Doch ich kann andererseits auch nicht außer Acht lassen, dass die russische Gesellschaft teilweise nach anderen fundamentalen Prinzipien lebt." So spiele die tiefe Verwurzelung in der orthodoxen Religion nach wie vor eine elementare Rolle. Er achte und respektiere das, was als Lebensmaxime Russen von hohem Wert sei. Dazu gehöre aber auch "das Festhalten an Tabus, die in den westlichen Ländern seit einigen Jahren nicht mehr gelten, aber zu deren Aufhebung es viele Anläufe und viel Zeit brauchte."

Realpolitische Probleme

Dass Gergijew seinen guten Draht zum russischen Präsidenten bisher nicht für eine Einflussnahme auf fortschrittlichere Politik in seiner Heimat nutzte, machen Interessensverbände ihm zum Vorwurf. "Der Respekt dem Anderen und seinen Belangen gegenüber ist für mich ein oberstes Prinzip", rechtfertigt sich der Stardirigent. "Das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass realpolitische Probleme plötzlich in die Gemeinsamkeit unserer kulturellen Arbeit harte und schrille Dissonanzen hineinschicken. Doch gerade dann ist aus meiner Sicht entscheidend, dass wir den Mut behalten, der jeweils anderen Seite zuzuhören und uns auszutauschen."

Wladimir Putin steckt am 1. Mai 2013 seinem Freund Waleri Gergijew den Staatsorden "Held der Arbeit" ans Revers (Foto: ALEXEI NIKOLSKY/AFP/Getty Images)
Gute FreundeBild: AFP/Getty Images

Nachhaltiger Dialog

Mit Münchens Kulturreferenten und dem Intendanten der Münchner Philharmoniker sprach Gergijew am Wochenende deshalb wohl auch "über nachhaltige Kooperationsmöglichkeiten mit der schwul-lesbischen Community in München." Der Dialog dürfe nicht abreißen, appelliert Waleri Gergijew im offenen Brief an sein Publikum. "Auch wenn es abgegriffen klingt, ist es deshalb nicht falsch, ganz im Gegenteil: Musik ist der beste Brückenbauer!"