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Nationales Stipendienprogramm: Erste Bilanz

6. September 2011

Rund zwei Prozent aller Studierenden in Deutschland haben ein Stipendium. Mit dem staatlich geförderten 'Deutschlandstipendium' sollten es bedeutend mehr werden. Doch das - so eine Studie - ist noch nicht gelungen.

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Studenten der Technischen Universität Berlin sitzen bei einer Vorlesung (Foto: dpa)
Viele Studenten können sich ein Studium kaum leisten und freuen sich über UnterstützungBild: Picture-alliance/dpa
Mariana Bulaty, Fundraiserin der Humboldt-Universität Berlin (Foto: dpa)
Sucht private Gelder für kluge Köpfe: Mariana Bulaty, Fundraiserin der Humboldt-Universität BerlinBild: DW

Mariana Bulaty würde sich gerne um jeden der 28.000 Studenten der Humboldt-Universität (HU) zu Berlin ganz persönlich kümmern, wenn es um die Verteilung von Stipendien geht. Doch leider ist sie die Einzige, die an der renommierten Großstadtuniversität für den Bereich Fundraising zuständig ist. Seit Februar, als das so genannte Deutschlandstipendium eingeführt wurde, hat sie mehr Arbeit denn je. Mit dem Deutschlandstipendium sollen Studenten für mindestens zwei Semester mit monatlich 300 Euro unterstützt werden. 50 Prozent des Betrags kommt vom Staat, wenn die Hochschule zuvor den Restbetrag von einem privaten Spender eingeworben hat. "Ich habe im Sommersemester für 18 Stipendien private Geldgeber gefunden, im Wintersemester werden es 14 sein", sagt Mariana Bulaty und deutet an, wie schwierig es ist, Geldgeber zu finden.

Staat und Privatwirtschaft fördern Studenten aus dem In- und Ausland

Schon 2011 sollen laut offiziellen Plänen von Bundesbildungsministerin Annette Schavan bereits 10.000 Studierende ein solches Stipendium erhalten. Mariana Bulaty muss schmunzeln. An ihrer Hochschule würde das bedeuten, dass sie in diesem Jahr viermal mehr Geld einwerben müsste, als sie bisher geschafft hat. Mittelfristig will die Bundesbildungsministerin sogar 160.000 Studenten ein Deutschlandstipendium zukommen lassen, das sind dann acht Prozent aller Studenten. Über diese gut gemeinte Ambition muss die Fundraiserin dann doch lachen. "Das halte ich für utopisch. Ich habe das mal ausgerechnet: Ich müsste jährlich viereinhalb Millionen Euro einwerben. Das geht nicht."

Michael Beier, Fundraiser und Marketingchef der Stiftungsuniversität Hildesheim (Foto: DW)
Hat nachgefragt: Michael Beier von der Uni Hildesheim hat den bisherigen Erfolg untersuchtBild: DW

Besonders erfolgreich beim Einwerben privater Spenden sind bislang jene Universitäten, die Wirtschaft und Unternehmen nahe stehen. Kleine oder geisteswissenschaftlich-künstlerisch geprägte Hochschulen haben dagegen ihre liebe Not mit dem Fundraising. Das hat Michael Beier von der Stiftungs-Universität Hildesheim jetzt erstmals in einer Studie belegt. Er ist selbst Fundraiser und hat im Auftrag seiner Universität die bislang einzige Onlineumfrage zum Start des Deutschlandstipendiums durchgeführt. 160 Universitäten haben geantwortet, aber kaum ein Unternehmen. Sein Fazit: "Über die Hälfte der möglichen Beteiligten kennt weder Namen noch Inhalt des Programms." Beier glaubt, dass vor allem professionelle Fundraiser fehlen. Nur rund 120 hat er an deutschen Unis gezählt, das ist nicht einmal einer pro Universität.

Deutschlandstipendium für ausländische Studierende interessant

Doch nicht nur mit den privaten Spenden tun sich fast alle Universitäten noch schwer. Auch das Auswahlverfahren kostet viel Zeit, gerade um Studenten aus sozial schwachen Familien eine Chance zu geben, sagt Mariana Bulaty. Für genau die sei das Programm besonders attraktiv. Gefördert wird ausschließlich nach Leistung, unabhängig vom Einkommen der Eltern oder des Studenten. Und Leistung bedeutet hier mehr als gute Noten. Dazu zählt auch, Hürden auf dem eigenen Bildungsweg zu überwinden. Wer also beispielsweise ein Kind neben dem Studium erzieht oder seinen ersten Studienabschluss unter besonders schwierigen Bedingungen gemacht hat, der hat gute Chancen.

Bildungsministerin Schavan (zweite links) im Februar mit den ersten Stipendiaten (Foto: Bildungsministerium)
Bildungsministerin Schavan (zweite links) im Februar mit den ersten StipendiatenBild: Bundesministerium für Bildung und Forschung

Das weckt die Neugier von immer mehr Studenten aus aller Welt. So kam bereits im ersten Auswahlverfahren für das Deutschlandstipendium jede siebte Bewerbung an der Berliner Humboldt-Universität aus dem Ausland. Und Mariana Bulaty glaubt, dass dieser Trend anhält. Bisherige Bewerber kamen aus Russland, Kasachstan, Ukraine, Türkei, der Mongolei oder Korea. Viele hätten bereits einen Bachelor-Abschluss in der Tasche, um sich dann in Berlin für einen Masterstudiengang einzuschreiben. "Das Deutschlandstipendium ist offen, egal welche Staatsangehörigkeit man hat", sagt Bulaty. Weil das Programm aber kein gezieltes Instrument zum Fördern ausländischer Studierender sei, schickt sie hinterher: "Inländer wie Ausländer werden beim Auswahlverfahren alle gleich behandelt.“

Von der Bildungs- zur Stipendienrepublik?

So manches Unternehmen erhofft sich von seiner Spende, mit potentiellen Mitarbeitern früh in Kontakt zu kommen. Internationale Fachkräfte sind da besonders gefragt. Doch auf absehbare Zeit bleibt die Suche von privaten Geldgebern Schwerstarbeit, da macht sich Mariana Bulaty keine Illusionen. "Ich denke, es wird ein kontinuierliches Wachstum geben, aber es wird langsam sein." Doch das sei in Ordnung. Schließlich müsse man ja auch selbst noch mitwachsen. Trippelschritte wären ihr da lieber, als frühzeitig ins Stolpern zu geraten.

Autor: Richard A. Fuchs
Redaktion: Gaby Reucher