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Schuldenabbau? Doch nicht in der Krise!

23. Oktober 2009

Sparen, sparen, sparen – so hieß die Devise für die Haushalte der EU-Staaten kürzlich noch. Denn der Stabilitätspakt gebietet Schuldenabbau. Doch davon wollen nun viele Regierungen nichts wissen. Auch Deutschland nicht.

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Sparschwein (Foto: picture-alliance)
Sparen ist in Europa derzeit in en vogueBild: picture-alliance / chromorange

Anfang dieses Jahres konnte es vielen EU-Regierungen mit dem Geldausgeben gar nicht schnell genug gehen. Die Konjunkturprogramme gegen die Auswirkungen der Wirtschaftskrise waren in vollem Gange. Doch schon im März warnte etwa der schwedische Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt vor den unvermeidlichen Folgen. "Viele Volkswirtschaften in Europa häufen jetzt riesige Defizite auf. Das schafft neue Probleme in Form höherer Zinsen und höherer Steuern, um die Defizite auszugleichen."

Der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt für die Euro-Länder erlaubt Haushaltsdefizite von maximal drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Inzwischen haben die Defizite in den meisten Ländern Höhen erreicht, die man früher für beinahe undenkbar gehalten hätte. Irland und Spanien etwa dürften dieses Jahr zweistellige Fehlbeträge verzeichnen. Großbritannien, das aber außerhalb der Eurozone liegt, vielleicht sogar 14 Prozent. Frankreich drohen acht Prozent, und auch Deutschland wird die Latte reißen.

Währungskommissar Joaquín Almunia (Foto: AP)
Droht Deutschland mit Defizitverfahren: Währungskommissar Joaquín AlmuniaBild: AP

Trotzdem lassen sich gerade Frankreich und Deutschland offenbar Zeit mit dem Schuldenabbau – ein schlechtes Vorbild, sagt Jean-Claude Juncker, der Präsident der Eurogruppe. "Wenn ein oder zwei größere Länder den Pfad der Tugend verlassen, werden es kleinere Länder, besonders wenn sie um die größeren herumliegen, schwer haben, ihrer Öffentlichkeit zu erklären, warum die kleinen den Stabilitätspakt vollständig erfüllen müssen, andere aber nicht."

Der Pakt gilt für alle

Und Jean-Claude Trichet, der Präsident der Europäischen Zentralbank, wird noch deutlicher. Deutschland und Frankreich müssten genauso behandelt werden, wie alle anderen auch. "Der Stabilitäts- und Wachstumspakt ist unser Herr und Gebieter." In Deutschland hatten Union und FDP vor der Wahl umfangreiche Steuersenkungen versprochen. Jetzt stehen sie unter Druck, die Zusagen zu erfüllen. Der Schuldenabbau wird offenbar verschoben.

EU-Währungskommissar Joaquín Almunia warnt bereits die künftige Regierung. Er werde ein Defizitverfahren gegen Deutschland einleiten, "da nach den Angaben der deutschen Behörden das Defizit in diesem Jahr die Dreiprozentmarke übersteigt. Aber was die Pläne der deutschen Regierung für die Zukunft betrifft, so warten wir das Ende der Koalitionsverhandlungen ab."

Zahlentricks aus Griechenland

Doch was nützen die Bestimmungen des Stabilitätspakts, wenn man schon den übermittelten Defizitzahlen nicht trauen kann? Griechenland hat für dieses Jahr erst sechs Prozent, nach dem Regierungswechsel mehr als zwölf Prozent nach Brüssel gemeldet. Jean-Claude Juncker fiel dazu nichts als Sarkasmus ein. "Ich muss sagen, dass ich von der Diskrepanz zwischen den alten und den neuen Zahlen tief beeindruckt bin. Das Spiel ist aus! Wir brauchen ernstzunehmende Zahlen."

EU-Politiker hoffen, das wird ein Einzelfall bleiben. Kein Einzelfall ist dagegen die Schuldensituation. Fast überall in der EU steht der Stabilitätspakt im Moment nur auf dem Papier. Wegen der Wirtschaftskrise wird das zwar vorübergehend akzeptiert. Doch die Frage ist, ob daraus ein Dauerzustand wird.

Autor: Christoph Hasselbach

Redaktion: Manfred Götzke