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Schule ohne Kopftuch

Elena Ern / Katja Hübschen9. September 2004

Die Diskussionen um das Kopftuchverbot in Frankreich sind verstummt. Trotz der andauernden Geiselnahme zweier französischer Journalisten heißt es Schluss für Kopftuch, Kippa und andere religiöse Symbole in Schulen.

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So darf dieses Mädchen in Frankreich nicht mehr zur SchuleBild: AP

Mit dem Beginn des neuen Schuljahres ist an diesem Donnerstag (2.9.2004) in Frankreich das umstrittene "Kopftuchverbot" in Kraft getreten. Es lagen am Morgen keine Meldungen über Demonstrationen, Auschreitungen oder Proteste vor.

Der Schulanfang für rund zwölf Millionen Kinder und Jugendliche wird jedoch überschattet von der andauernden Geiselnahme zweier französischer Journalisten im Irak. Ziel der islamistischen Entführer ist die Rücknahme des Gesetzes, das auffällige religiöse Symbole einschließlich des islamischen Kopftuches in staatlichen französischen Schulen verbietet.

Verlängertes Ultimatum im Irak abgelaufen

Am Mittwochabend war ein erneutes Ultimatum der Geiselnehmer abgelaufen. Der französische Nachrichtensender LCI meldet jedoch trotzdem Hoffnung für die entführten Journalisten. Die Entführer stünden unter enormem Druck des irakischen Widerstandes, die Geiseln unverzüglich freizulassen und suchten nach einem ehrenhaften Ausweg.

Jacques Chirac, französischer Staatspräsident
Frankreichs Präsident Chirac bleibt hart: Das Kopftuchverbot tritt trotz Geiselnahme in KraftBild: AP

Die Regierung in Paris bemüht sich seit der Entführung am 20. August, die Geiseln Georges Malbrunot und Christian Chesnot in diplomatischen Verhandlungen freizubekommen. Eine Aufhebung des vom Parlament beschlossenen Gesetzes stand jedoch nicht zur Debatte. Selbst die islamischen Organisationen Frankreichs haben zur Beachtung des Gesetzes aufgerufen.

Das neue Gesetz beruht auf dem Prinzip der Trennung von Kirche von Staat, dass seit 1905 fest in der französischen Verfassung verankert ist. In der Theorie hatten Kopftücher und andere religiöse Symbole also auch bisher schon nichts in den Klassenzimmern staatlicher Schulen verloren. Die Praxis sah anders aus, da die Lehrer keine wirklich Handhabe gegen Schülerinnen mit Kopftuch hatten. Mit der Laizitätsverordnung ließen sich nur selten Schulverweise begründen. Das ist jetzt anders.

Ausführliche Gespräche vor Schulverweis

"Kopftuchverbot, das klingt viel dramatischer als es ist", sagt Julie Wronski, die an der Universität von Lille Germanistik studiert. Sie hat die Diskussion um das Kopftuchverbot in den vergangenen Monaten intensiv verfolgt. Schließlich will sie demnächst selbst Lehrerin werden. Es sei auch jetzt nicht so, sagt Julie Wronski, als würden die Mädchen, die mit Kopftuch kämen direkt von der Schule verwiesen. Vieles hänge von der Toleranz der Lehrer ab. Außerdem müssten die Lehrer, bevor sie Maßnahmen ergreifen, zunächst ein ausführliches Gespräch mit der Kopftuchträgerin führen. Auch Vermittlungsgespräche und Erklärungen mit muslimischen Geistlichen sind vor einem Schulverweis vorgesehen. Doch es wird darauf hingewiesen, dass "Erklärung" nicht "Verhandlung" bedeutet. "Nach der Dialogphase sind die vorgesehenen Sanktionen anzuwenden", heißt es in einem staatlichen Rundschreiben vom 18. Mai 2004.

Der französische Erziehungsminister François Fillon versicherte, dass kein Mädchen, das auf sein Kopftuch bestehe, in den beiden ersten Wochen des neuen Schuljahres ausgeschlossen würde. Er hoffe es werde überhaupt zu keinem einzigen Schulausschluss kommen. Die individuelle Handhabung des Gesetzes bleibt den Schulleitern vorbehalten.

Alle auffälligen religiösen Symbole verboten

"Wir müssen alle etwas nachgeben. Schließlich bezieht sich das Gesetz nicht nur auf das islamische Kopftuch. Wer ständig ein großes Kreuz um den Hals baumeln hat, muss auch drauf verzichten", sagt Julie Wronski. Die Verbannung religiöser Symbole aus den Klassenzimmern betrifft alle Konfessionen, große Kreuze oder die jüdische Kippa sind ebenfalls tabu.

Viele Intellektuelle befürworten die Maßnahme in Frankreich. Der Philosoph Che Guevaras Régis Debray bezeichnete die Entfernung des Kopftuchs aus den Klassenzimmern als einen "Akt der Befreiung". Die Schule sei kein Ort für religiöse, sondern allein für wissenschaftliche Überzeugungen. Der reibungslose Beginn des ersten Schuljahres mit Kopftuchverbot scheint diese Meinung zu bestätigen.