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Schummeln hilft auch in Brüssel

Bernd Riegert, Brüssel17. November 2004

Wegen nicht angegebener Schulden hätte Griechenland den Euro eigentlich nicht einführen dürfen. Die Trickserei war ein Thema beim Treffen der EU-Finanzminister. Ein anderes war die Zukunft des Euro-Stabilitätspaktes.

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Begehrte Währung: der EuroBild: AP

Jetzt ist es amtlich: Die europäischen Finanzminister stellten bei ihrem Treffen am Dienstag (16.11.2004) in Brüssel fest, dass Griechenland sich den Einstieg in die Gemeinschaftswährung Euro 1999 und 2000 mit falschen Daten zum Staatsdefizit erschummelt hat. Die derzeit in Athen regierenden Konservativen gaben sich zerknirscht und sagten vorbehaltlose Aufklärung des Skandals zu, für den die sozialistische Vorgängerregierung verantwortlich sei. Eigentlich hätte Griechenland den Euro nie bekommen dürfen, ausgeschlossen werden kann es nachträglich aber nicht. Jetzt müssen sich die Finanzminister Sanktionen überlegen, für einen Fall, der in den EU-Verträgen nicht vorgesehen ist.

Empörter Eichel

Aber, das machte der sichtlich empörte deutsche Finanzminister Hans Eichel klar, irgendetwas müsse geschehen: "Ich find das schon interessant, denn ist ja komisch, wenn sie Sanktionsmechanismen haben gegenüber denen, die mit korrekten Daten das Ziel verfehlen, aber keine Sanktionen haben bei denen, die mit geschummelten Daten das Ziel verfehlen. Das kann es ja wohl nicht sein."

Der Minister bezog sich auf die deutsche Situation: Während Griechenland die Karten zinkt, bricht Deutschland mit korrekten Daten zum dritten Mal in Folge den Stabilitätspakt und wird dafür als Sünder abgestempelt. 2005 wolle er seinem Ziel eisern treu bleiben, sagte Eichel weiter: "Wir halten an unserer Zusage fest, und werden im Dezember mit unserem Stabilitätsprogramm belegen, dass wir im Jahr 2005 das Maastricht-Kriterium von unter drei Prozent wieder einhalten."

Skeptische Ministerkollegen

Parallel dazu setzte sich der deutsche Finanzminister vehement dafür ein, die Regeln des Stabilitätspaktes flexibler zu machen. Die Defizitgrenze von drei Prozent müsse neu definiert werden, sagte Eichel in einer offenen Diskussion mit seinen Finanzministerkollegen. Nettozahlungen an die EU oder Ausgaben für Bildung, Forschung und andere Zukunftsinvestitionen müssten herausgerechnet werden, warb der deutsche Kassenwart.

Viele Finanzminister, besonders aus kleinen Mitgliedsstaaten mit gesunden Haushalten, sehen dieses Vorhaben skeptisch. Nach einem teilweise heftigen Streit hinter verschlossenen Türen appellierte Eichel an seine Ministerkollegen: "Wir sollten uns nicht gegenseitig unterstellen, dass andere den Weichmacher spielen. Jeder will eine vernünftige ökonomische Lösung. Alle wissen, wir brauchen mehr Wachstum. Alle wollen konsolidierte Staatsfinanzen. Vor diesem Hintergrund brauchen wir auch eine relativ offene Debatte, wo jeder die Chance hat, beim Nachdenken noch einmal auf den anderen einzugehen."

Unangemeldete Inspektionen

Beschlüsse fielen bei dem Treffen nicht. Im Frühjahr 2005 soll der luxemburgische Finanzminister und Ministerpräsident Jean-Claude Juncker ein Kompromisspaket vorlegen. Im Dezember muss die EU-Kommission entscheiden, ob und wie sie das vor einem Jahr illegal ausgesetzte Defizitverfahren gegen Deutschland und Frankreich wieder aufnimmt. Die Finanzminister vereinbarten, die europäische Statistikbehörde Eurostat zu stärken, damit falsche Zahlen wie im Falle Griechenland künftig früher entdeckt werden. Eurostat sollte das Recht zu unangemeldeten Inspektionen bekommen. Bis heute haben sich die 25 EU-Staaten nicht auf gemeinsame Grundlagen zu Berechnung der Haushaltsdaten und Defizite geeinigt.